Nun, in Hamburg kann man relativ leicht aufhören, also probiere ich es.
Mit Matschbeinen schleiche ich durch die Wechselzone, entleere ausgiebig meine Blase, creme mich nochmals ein, schlüpfe in die Laufschuhe und starte.
Die ersten Kilometer genieße ich, Stimmung gut, besonders an einer Stelle werde ich fast sentimental
. Ich will, ich darf und ich kann. Im Leben. aktiv. Echte Sorgen weit weg. Für solche Momente mache ich es
.
Die Wirklichkeit holt mich natürlich bald nach der ersten Runde ein. Energie, Magen, Kreislauf: eine never-ending-story
.
Ich vermute etwas wie einen Blähbauch, selbst die zwei Nummer größer gewählten Shorts und Tops engen mich zu arg ein.
Ich spüle meinen Mund aus, trinke etwas Wasser, kippe das meiste über den Kopf. Dies muntert auch den Kreislauf auf. Gelegentlich nehme ich ein Gel zum mouth-rising, d.h. ich esse nur wenig davon, gaukle aber meinem Gehirn vor, dass es Nahrung erhält.
Locker lassen ist leider noch nicht drin, dazu ist das Zeitlimit von 15.30 doch zu nah.
Jetzt will ich aber ins Ziel
. Zeit ist mir egal. Ich empfand es schon als Privileg und Erfolg überhaupt starten zu können. Als 57-jähriger mit MS und sonstigen Nickligkeiten wohl keine Selbstverständlichkeit.
Runde 3. Die Zombiephase beginnt. Wohl auch ansteckend, weil mittlerweile sind fast nur Gleichgesinnte auf der Strecke. Ich versuche immer noch ein paar weitere Meter zu traben, aber es wird immer schwieriger.
Km 28 noch, dann bin ich safe, falls ich nicht umkippe.
Und passend merke ich, als es mir mühsam nicht gelingt einen strammen Walker einzuholen, dass es Zeit wird. Meine heuer am besten trainierte Disziplin. Das Wandern. Ich summe schon wieder leise Lieder, um den Kreislauf nicht einschlafen zu lassen. Für eine Minute pro Kilometer langsamer, kann ich überraschend (relativ) das Rennen doch noch genießen, mich mit Supportern oder andern Sportlern austauschen, an das Ziel denken. Was wäre es für eine grandiose Wendung, es auch heuer, nach diesen vielen niederschmetternden Rückschlägen es doch noch einmal geschafft zu haben?
Herzblatt feuert die ganze Zeit schon euphorisch an. Auch sie verdient diesen Erfolg.
Nach gesamt 14.23 Stunden höre ich den Spruch: You are an Ironman
Geschafft. Glücklich für den Augenblick.
Da wusste ich aber auch noch nichts von dem tragischen Ausgang des Unfalls.
Der Kreis schließt sich: Leben, Angst, Freude und Trauer.