Doppelpost:
Wenn das Ziel an Bedeutung verliert
Samstagfrüh. Die Radtour muss ich aufgrund des stürmischen und morgens sehr kalten Wetters ausfallen lassen. Ich hoffe, dafür 35 km zu Fuß zu bewältigen. Von Laufen möchte ich lieber nicht schreiben, die Bedenken, dass es ein ähnliches Debakel wie eine Woche zuvor gibt, sind sehr groß
. Die Anspannnungen, auch in den Beinen, sind weiterhin intensiv zu spüren, Krampfgefahr
.
Trotzdem trabe ich los, nicht schnell, nicht leicht, aber aktiv unterwegs, mit einem Ziel. Nur heute ist eine Euphorie ganz weit entfernt, zuviel Ballast drückt auf der Seele und naja, vielleicht auch am Körper
.
Trotzdem genieße ich irgendwie die ersten 17,5 km bis zur Zwingerberger Burg, dann heißt es umdrehen und das Ganze zurück.
Noch ist meine Zeit ok, (1.53 Stunden), aber bisher war der Wind eher günstig. Jetzt wird es megaherb. Bald fühle ich mich total geplättet, gegen den Sturm zu laufen, traben, eher schwanken ist extrem kräftezehrend
. Nach km 23 will ich aufgeben. Ich bin total platt, weniger vom Kreislauf. Hier hilft die frische Luft, aber muskulär fühle ich mich, wie sonst ab KM 60 bei den Taubertal100
.
Warum weiter? Ich habe keine Ahnung. Es ist kilometerweit kein Mensch zu sehen. Kein Radfahrer, keine Spaziergänger, keine Hunde. Gespenstige Stille, habe ich die Apokalypse verpasst?
Ich nutze die Chance, lasse meinen Frust entweichen, lautstark schallt es zweimal im sonst ruhigen Tal
.
Ich summe und pfeife Melodien. Heiter, heiter, immer weiter, wie eine liebe Bekannte kürzlich schrieb.
Es hilft, ebenso mein Rettungsgel. Passend zu Roth, nur minimale Zwischenziele sind möglich, zur Weggabelung, zum Hügel, zur Brücke. Ich trabe ohne Euphorie oder Hoffnung, schalte geistig ab. Einfach nur in Bewegung bleiben. Und wenn es noch so langsam ist.
Das Städle naht, Menschen sind zu sehen, weiter, weiter und noch einmal weiter.
Plötzlich naht das Ziel. Ich trabe unentwegt, schöpfe Mut, die 4 Stunden sind sogar noch möglich. Ich mobilisiere die letzten Reserven, Endspurt
.
Da sehe ich eine ältere Bekannte, winke ihr zu. Sie reagiert nicht. Vermutlich sehe ich zu verboten aus und sie erkennt mich nicht. Eine halbe Minute für 40 Meter, das sollte reichen. Da ruft sie entschuldigend, dass sie mich zu spät erkannt hat.
Weiter? Nein, nicht immer ist das Ziel das Wichtigste
. Ich stoppe, unterdrücke auch noch den Impuls die Stoppuhr zu drücken
. Wir plaudern kurz in gebührendem Abstand, wünschen uns ein gutes Wochenende, dann trabe ich weiter.
4.00.10 Stunden
. Ich muss schmunzeln. Egal, Hauptsache gefinisht. Ganz ohne sind 35 km halt doch nicht. Meine Beinmuskeln krampfen und zittern, dafür sind meine Sehnen ruhig, meine Gedanken gelöster.
Allen ein passendes Ziel und die Entschlossenheit, es auch wirklich erreichen zu wollen (mit speziellem Gruß an die Politik
).