drullse hat geschrieben:
captainbeefheart hat geschrieben:
Ist denn ein eigentlich unbeteiligter weißer, älterer Mann unerträglicher politischer Korrektheit ausgesetzt, wenn eine schwarze Frau die Entscheidung eines Verlages in einem Essay hinterfragt, warum die Übersetzung nicht von einer schwarzen Frau erfolgt?
Kann mich vielleicht mal jemand darüber aufklären, warum es überhaupt zum Hinterfragen kommt?
Ich kann Dir gerne meinen inhaltlichen Standpunkt erläutern.
Der Verlag kann die Übersetzung eines Gedichts erstmal entscheiden und organisieren, wie es der Verlag für richtig hält. Das ist die freie Entscheidung des Verlags.
Das Gedicht und die Autorin stehen in einem länger zurückreichenden und gleichzeitig ziemlich aktuellen Kontext der amerikanischen Geschichte. Das sollte dem Verlag bekannt sein (wäre der Kontext dem Verlag nicht bekannt, ist das Hinterfragen der Entscheidung schon allein deswegen mehr als angemessen).
Gehen wir von dem eher wahrscheinlichen Fall aus, dass dem Verlag der spezielle - sensible - Kontext von Gedicht und Autorin bekannt ist. Dann gibt es zwei Möglichkeiten:
Entweder wurde über die mögliche Wirkung der Entscheidung für diese eine Übersetzerin nachgedacht, andere Optionen in Erwägung gezogen, hin und her diskutiert und dann, nach Abwägung, eine Entscheidung getroffen - aus wahrscheinlich guten Gründen, die für diese Entscheidung sprechen. Wenn das so war, dann frage ich mich, warum der Verlag (bzw. die Übersetzerin) beim Hinterfragen der Entscheidung zurückrudert und uns nicht die guten Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben, darlegt und uns damit überzeugt (z.B. weil es Verträge gibt o.ä.).
Oder es wurde nicht (bzw. nicht ausreichend) über die mögliche Wirkung nachgedacht, sondern diese eine Übersetzerin "ohne Nachdenken" beauftragt. Dann ist es doch wiederum angemessen, wenn das jemand hinterfragt, warum diese eine Übersetzerin und keine andere beauftragt wurde - angesichts des sensiblen Kontextes.
Fast alle Entscheidungen haben (heute) nicht nur einen sachlogischen, sondern auch einen emotionalen (und weiteren, z.B. politischen) Inhalt - und erzeugen auch solche Emotionen (und weitere Wirkungen). Das muss eine*r nicht gut finden, aber es ist so. Und deshalb werden Entscheidungen auch nicht allein entlang ihrer Logik, sondern nach in ihrer (intendierten oder auch nicht intendierten) Wirkung hinterfragt. Das erleben wir bei Corona Maßnahmen ebenso wie bei dieser Entscheidung des Verlags.
Ich habe gleichzeitig noch kein Argument gehört, warum das Gedicht nicht durch eine schwarze Übersetzerin übersetzt werden sollte und ich habe auch noch kein Argument gehört, warum diese Frage nicht öffentlich gestellt werden darf bzw. warum eine*r deshalb gleich einen Stock im Arsch haben muss.