Cogi Tatum hat geschrieben:
captainbeefheart hat geschrieben:
Im Schnitt fahren wir mit dem Auto um die 20 bis 40 Kilometer pro Tag, die Hälfte der Autofahrten ist kleiner 5 km. Im Schnitt fahren dabei 1,2 Personen. Dafür nutzen wir Autos, die 2 Tonnen wiegen. Das ist dermaßen ineffizient, dass es auch ein Elektromotor nicht mehr rausreißt. Individuelle Mobilität in dieser Form ist schlicht das falsche Paradigma.
Nicht im Schnitt, sondern exakt fahre ich (außerhalb von Corona) 17 KM mit dem PKW auf die Arbeit (einfache Strecke).
An den schlechten Tagen benötige ich dafür von der Haustür bis zum Firmenparkplatz um die
30 Minuten (das ist schon richtig scheißelangsam).
Habe eben mal nachgeschaut wie lange ich mit dem ÖPNV benötigen würde.
Die Fahrzeit der Umsteigeverbindung:
54 Minuten plus Weg zum und vom Bahnhof daheim / am Firmensitz (jeweils ca. fünf Minuten).
Und das OHNE Weichen- oder Stellwerkstörung, Oberleitungsschaden, ohne Wildunfall und Person im Gleis.
Für mich ist DAS ineffizient.
Ich freue mich über die Leidensfähigkeit derer, die bereit sind die Welt zu retten (habe es selbst viele Jahre versucht) und trotz persönlichen Nachteilen den ÖPNV nutzen. Aber wenn mir ein PKW die Möglichkeit gibt jeden Tag mehr als eine Stunde weniger mit dem Broterwerb beschäftigt zu sein und dafür diese Zeit für mich / meine Familie zu nutzen, dann bin gerne ich bereit mich dafür als rückwärtsgewandter Egoist oder auch als Umweltsau titulieren zu lassen.
Da hast Du vollkommen Recht. Aus der individuellen Perspektive ist das effizienter, mit dem eigenen PKW zu fahren.
Das hat gute Gründe: Die Infrastrukturinvestitionen sind in den letzten Jahrzehnten (und sie tun es irrsinnigerweise noch heute) eben dem Auto Paradigma gefolgt, deshalb ist der ÖPNV keine ernstzunehmende Alternative - mit genau den Konsequenzen, die Du berechtigterweise beschreibst.
Allerdings gab und gibt es selbst innerhalb des Auto Paradigmas auch weitere Perspektiven - neben der von Dir schon erwähnten und ziemlich relevanten Klimaperspektive: Die PKW-Kilometerkosten sind üblicherweise in einer (individuellen) Vollkostenbetrachtung den ÖPNV-Kosten substanziell unterlegen. Letztlich wird in diesem Fall also Geld in Zeit getauscht. Und: Man muss (in Grenzen) heute kein eigenes Auto mehr besitzen, um diesen Tauschvorteil zu bekommen, der Tausch wird dabei sogar deutlich vorteilhafter.
Leider sind wir hier (ebenso wie z.B. bei der Kohleverstromung) in einem Paradigma stehen geblieben, das letztlich aus dem Anfang des 20 Jahrhunderts stammt und im zweiten Weltkrieg (hier wurde die Autoindustrie zur Schlüsseltechnologie) fest zementiert wurde. Unsere gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich seither allerdings doch recht deutlich weiterentwickelt.
Als persönliche Anekdote, wie starr wir hier (individuell und kollektiv) denken und handeln, ist mir die Bemerkung eines hochrangigen Auto Managers in Erinnerung, der, in einer Diskussion darüber, ob wir nicht durch noch mehr Autos auch mehr Staus produzieren, lapidar sagte: "Dann bauen wir (wir = Staat!) halt noch eine dritte, vierte oder fünfte Spur an die Autobahnen dran, das kann ja nicht das Problem sein". Und bisher war es auch kein Problem, denn die Autolobby hat bisher verlässlich dafür gesorgt, dass die Infrastrukturinvestitionen pro Auto Paradigma priorisiert wurden (siehe oben.)