Wandern ist langweilig und was für alte Leute.
Dann kommt einer und klebt "Megamarsch" oder "Mammutmarsch" dran, verlangt 70 Euro Gebühr und schon ist's voll trendy.
Ich versteh die Welt irgendwie nicht.
Ich bin ja eher der Fan von "Einfach machen". Und nachdem ich letzten Freitag frei hatte, konnte ich die Zeit für eine etwas längere Wanderung nutzen. Der Anton-Leidinger-Weg, der von Nürnberg nach Amberg führt, stand ja schon länger auf meiner Liste.
Nach einem normalen Arbeitstag und der Geburtstagsfeier meines Vaters stand ich also um kurz nach Mitternacht am Nürnberger Tiergarten. Wanderschuhe, Rucksack, Regen- und Wechselklamotten, 2 Liter Wasser und eine Packung Prinzenrolle - "einfach machen" halt. Naja, Stirnlampe und ein GPX-Track waren auch noch mit dabei. Obwohl noch fast Vollmond, war es im Wald doch stockfinster und ich schaltete die Lampe auf Schummerlicht. Soviel Licht wie wie Technik hergibt braucht man erstens beim Wandern nicht, und zweitens macht sowas auch die besondere Atmosphäre kaputt. Ich hatte mir ja mal Gedanken gemacht, wer sich in Stadtnähe so alles im Wald rumtreiben könnte. Aber als ich dann hinter mir plötzlich irgendwelche Viecher schreine hörte wurde mir kurzzeitig doch etwas anders. War aber dann nur der Tiergarten - irgendwie ein blöder Ausgangspunkt in der Nacht. Ansonsten trifft man keine Menschenseele, die Straßen leer, die Häuser dunkel. Einzige Ausnahme war ein Zeitungszusteller, der doch etwas verwundert war, einen Wanderer zu treffen.
Nachts um vier gibt's die erste Pause auf dem Moritzberg: Essen, trinken, den Mond angucken, dann geht es weiter in Richtung der langsam einsetzenden Morgendämmerung. Die leuchtenden Augen links und rechts des Weges werden weniger, die Glühwürmchen sind wohl auch schon im Bett, aber die Lampe leistet trotzdem noch gute Dienste um nicht über irgendwelche Wurzeln zu stolpern. Wenn es nicht bergauf geht, dann geht es bergab, fast 1400 Höhenmeter werden am Ende auf der Uhr stehen.
Der Fränkische-Alb-Verein hatte bei seinen geführten Wanderungen immer in Kucha zum Frühstück angehalten. Als ich dort morgens um sieben Uhr durchkomme führen zwar schon nasse Fußtapsen aus dem Kneippbecken, die Wirtschaft macht aber natürlich nicht extra für mich auf. ich gehe noch einen Anstieg weiter und freue mich auf meinen Morgenkaffee in Waller. "Heute geschlossen" verkündet eine Tafel am "Braunen Hirsch". Die ist aber vom Vortag stehengeblieben und so wendet sich doch noch Alles zum Guten und meinen Wasservorrat lasse ich auch gleich noch aufüllen. Nach kurzem Abstieg geht es nach Alfeld. Hier gibt es den einzigen Laden auf der gesamten Wanderung.
Also nehme ich beim BäckerMetzger noch eine Semmel und eine Breze mit - wer weiß ob das mit der Prinzensportlernahrung wirklich klappt?
In Poppberg kommt man noch einmal an einer Wirtschaft vorbei, aber aus irgend einem Grund verpasse ich es, die Wasserflaschen nochmals nachzufüllen. Kurz darauf erkenne ich den Fehler, denn es geht jetzt über's offen Feld und die Sonne steht mittlerweile auch schon hoch. Ich schaue in die paar Bauernhöfe, an denen man vorbeikommt, aber es ist kein Mensch zu sehen und es gibt auch nirgends einein Wasserhahn an der Hauswand. Also erst mal dursten und sparsam sein. Zwar bleibe ich im Krisenmodus normalerweise ruhig, aber ich merke schon, wie die Energie nachlässt. Umso mehr freue ich mich, als an einem Pferdehof dann doch endlich Wasser aus der Wand kommt.
Kurz vor Ammerthal meldet sich meine Armbanduhr. "Akku schwach". Ich beschließe, bis zum Ort zu gehen und dort kurz nachzuladen. Ärgerlich ist ja, dass ich zum Laden die aktuelle Aufzeichnung beenden muß. (
drullse) Kurz darauf kommt der Wolkenbruch. Handy fix in den Rucksack, Regenhülle über den Rucksack und zwei Minuten später merken, dass es auch durch die Laubbäume durchregnet. Die Regenjacke ist natürlich ganz unten im Rucksack. Doch schon als ich den Wald verlasse brennt schon wieder die Sonne runter. In Ammerthal gibt es keine einzige Sitzbank am Weg und die Steine zur Draufsetzen sind jetzt alle nass. Hilft nix, wenigstens die Uhr 10 Minuten an die Powerbank, kurz was essen, den Fahrplan für dei Heimreise checken und die Hose wird bestimmt auch gleich wieder trocken. Die restlichen 5 Kilometer nach Amberg gehen eher entäuschend langweilig geradeaus an einem Bach entlang - am Ende nochmal eine mentale Prüfung bevor ich nach 70 Kilometern und 16 Stunden am Ziel ankomme.
Keine Urkunde, kein schicker Titel, 70 Euro gespart und vor allem unterwegs meine Ruhe gehabt. #einfachmachen
https://connect.garmin.com/modern/activity/5219149070