Ich möchte dass du am Sonntag da rausgehst und deinen Job machst. Weil du es dir vorgenommen hast. Marathon ist eben nicht nur bei Kilometer 35 schwer, sondern manchmal auch schon im Vorfeld. Egal wann, denke immer dran: Wurscht wie unmotiviert, schmerzhaft, warm oder nass es auch ist, wenn du hinschmeißt ist es danach noch viel schlimmer.
Mit diesem Spickzettel im Kopf ging ich an den Start. Runningmaus und Ironhörnchen haben mir vor Wochen zwar den Freibrief gegeben die Staffel abzusagen, als es mir nicht gut ging und das Training gar nicht lief, aber ich wollte mir beweisen, daß wenigsten s irgendwas im Leben läuft – im wahrsten Sinne des Wortes, ich wollte mal wieder Leben spüren, Glück empfinden, positive Emotionen haben und Glückstränchen im Sonnenaufgang am Kanal haben. Ich will… Marathon laufen… mit meinen Mädels, zwei tollen Frauen, die sich vom Leben nicht unterkriegen lassen und die mit mir staffeln wollen, obwohl ich bin wie ich bin.
Tränen Bei der Nudelparty ging das Geheule los. Tausend Kleinigkeiten und jede einzelne reichte, daß ich anfing zu weinen. Freunde, Musik, die Anspannung stieg. Nina saß mir gegenüber und wir heulten beim „Haka“ als wäre sonst was passiert. Alice Walchshöfer meinte am Samstag zu mir, das wäre gut, das gehört dazu… da liefen sie schon wieder… Danke an Alice und Elke für die Unterstützung, Zugangsberechtigungen und all die Nettigkeiten, die einen spüren lassen, man ist ein Teil der Triathlonfamilie. Wenigstens heulte ich nicht mehr wegen schlechter Trainin gsläufe oder anderer privater oder beruflicher Probleme, sondern einfach weil ich vor Aufregung vibrierte. Als ich feststellte, daß wir die Beutel falsch verteilt hatten, merkte ich aber auch wie dünn die Nerven decke war, wie groß die Anspannung und daß mich alles aus der Bahn werfen kann. Ich lief mit Elke beim Frauenlauf ins Ziel, traf Kathrin, Jochen und Carolin beim Bäcker Schmidt. Es war warm, es war schön, ich freute mich auf Sonntg, die Mischung aus Vorfreude, Respekt und Angst, die vor so einem Tag normal ist und gerade noch erträglich ist. Am Sonntag früh kamen dann aber noch andere Tränen dazu: vor Start plauderte ich mit einer Bekannten vom BRK, als eine dort am Zelt angelehnte Liege umkippte und bei mir auf der Schulter landete. Im ersten Moment dachte ich mein Schlüsselbein ist durch. Danach verlegte sich der Schmerz auf die ganze Schulter und die HWS, mein Kopf ließ sich nicht mehr richtig drehen und ich fürchtete, daß jetzt – kurz bevor Elke ins Wasser stieg – ich die Staffel noch platzen lassen mußte. Ich war so unglaublich verzweifelt, kein Trost weit und breit, die Welt war schwärzer denn je. Das Schicksal will einfach nicht, daß ich noch irgendwas schaffe, daß irgendwas gut geht… Da lief mir Detlef in die Finger und hatte mich heulendes Elend am Hals. Er tröstete mich und gab mir die Sicherheit, daß meine zwei Staffelpartnerinnen mir nichts übel nehmen würden und bis Nachmittag wäre doch vielleicht schon wieder laufen möglich, wenn ich mich jetzt gut erhole… es tat so gut…Einfach nur Danke.
Carolin hatte entweder schon längst einen Plan B in der Tasche oder war einfach schnell und meinte nur „dann lauf ich die zweite Hälfte zu Ende“ – wow… was hab ich für ein Glück… Was hab ich für eine Staffel?
Elke mußte dann los, wir standen in der Wechselzone herum, plauderten, freuten uns über den bewölkten Himmel, über die anderen Staffeln… die Zeit verging ruck-zuck und Elke kam aus dem Wasser und schwupps war Carolin auf dem Rad und weg. Da wurde mir bewußt, daß mein Start noch näher gerückt ist, aber etwas Zeit blieb ja noch. Also dieses Jahr ganz streßfrei nur zur Kanalbrücke hoch und von da aus zuschauen. Nicht quer durch den Landkreis und immer die Angst, daß irgendwo Stau ist und ich nicht mehr nach Roth komme. Ich glaub ich hab am Straßenrand sogar geschlafen… Peter kam vorbei, wir sahen Carolin und Christian auf die zweite Runde gehen und dann wurde es nach einem Abstecher bei Sonja Zeit nach Roth zu fahren. Die veränderte Laufstrecke veränderte auch die Besucherfrequenz in der Stadt und so war ich froh, daß mich letztendlich Frank in der Stadt aussteigen lassen konnte und einen Parkplatz suchte, während ich zur T2 wanderte. Ich war ewig früh da, traf die Staffelteilnehmer aus meiner Heimatgemeinde, meine Mutter, meine Freundin Sandra, die Edelsupport für mich machte und bekam die Info, daß Carolin deutlich schneller als angekündigt unterwegs sei… Mein Hörnchen… als hätte ich es nicht geahnt… ich aß noch einen halben Riegel und begann prompt zu gähnen. Dieses Thema „Müdigkeit nach Kohlehydrate“ muß ich mal extra angehen… So lief ich allerdings bereits um 16 Uhr los, freute mich auf Publikum und Musik und hoffte ich hab meinen Kopf im Griff. Keine trüben Gedanken, keine Traurigkeit… kein… NEIN: ich werde Spaß haben!
So isses… Tja – wir reden von Marathonlaufen und nicht von Ponyhof mit Zuckerschlecken und Wunschkonzert. Ist schon klar. Aber seit wann macht das schon nach 2 km so wenig Spaß??? Mein Vater, Frank und And y an der Strecke. Schön. Dann im Wald die Erinnerung an Thorsten 2015. Heute: kein Thorsten. Kein Schild. Es ging ewig lang hoch. War das vor zwei Jahren auch schon so??? Bei km 3 die erste Gehpause. Meine Beine versagten einfach die Arbeit. Keine Kraft, kein Abdruck. Keine Lust. Na das kann ja ein Spaß werden. Ich dachte an Lanza – da liefen aber wenigstens die ersten 10 km spitzenmäßig, jetzt lief nichts. Ich lief immer wieder an, aber die Strecke war voll und ich kam überhaupt in keinen Rhythmus. Teilweise hätte ich schneller laufen können, kam aber nicht durch, teilweise hätte ich langsamer gewollt, hing aber irgendwie in einer Gruppe und blockierte alles.
Die immer lacht. Bei Speck saßen jede Menge Leute aus meinem Wohnort und ich lief lächelnd durch dieses Stück, obwohl mir so gar nicht danach war. Es war mir echt nicht mehr nach lachen, aber ich habs immer mal wieder probiert. Bei guter Musik, bei freundlichen Helfern, nettem Publikum. Gerade war mit sogar mein heiß ersehntes Kanalstück nichts… Es war einfach alles doof. Zu laut, zu voll, zu irgendwas. In den Verpflegungsstationen bekam ich teilweise nicht was ich wollte, ich war massiv genervt. An der Lände hörte ich dann bereits, daß es keine Gels mehr geben würde. Da fing ich im Kopf bereits an „Mängellist“ für Felix zu schreiben. Ist ja ok, aber Spaß haben, positive Gedanken? Nix. Elke meine ich soll doch bitte laufen, es ginge bergab. Da merkte ich, daß ich aus lauter Frust und Kraftlosigkeit sogar bergab wanderte. Das kann es ja wohl nicht sein. Ich zwang mich dazu wieder anzulaufen. Frank schimpfte ich trotzdem erstmal voll, daß das alles gar nicht geht, alles blöd wäre, ich hier nicht mehr laufen will, mir schwindelig wäre usw. Irre hilfreich… naja.. eine Helferin, einer darauf folgenden Verpflegungsstelle, die gerade bei ihm stand, lief daraufhin zu ihrer Stelle, zauberte für mich eine perfekte Verpflegung und irgendwie tat das so unglaublich gut. Viel Wasser zur Kühlung, ein Becher Cola, eine Runde Frust abgebaut. Danke Birgit!!! Ich traf Kathrin, Carolin und Michelle, meinen Vater und freute mich richtig, daß ich nicht allein war. Den Anstieg im Rothgrund unter der B2 konnte ich hochlaufen (!), in der Gartenstraße wollte ich eigentlich gehen, aber es war soviel Publikum und Musik, daß ich laufen „mußte“. Micha und Bine waren plötzlich da und zunehmend kam echtes Lächeln dazu. Das Kopfsteinpflaster in der Innenstadt war zwar nicht toll, aber es ging. Meinem Rücken ging es gut. Am Marktplatz war ich auf der Großleinwand… ok, bergab, lächelnd auf der Leinwand… hey, so schlecht ist es gar nicht. Elke tauchte wie von Zauberhand immer wieder auf, dazu auch immer wieder Athleten auf der Strecke, die ich kannte. Besonders schön war es Matthias zu sehen, da bei ihm der Ticker vorher „nicht gestartet“ gemeldet hat. Ein technischer Fehler, wie sich später herausstellte. Alles gut. Rainer, den ich schon seit über 20 Jahre aus Roth kannte, Simone vom Bayrischen Rundfunk, Petra aus meinem Heimatort, Ole, der heute sein Comeback in Roth beging… usw. immer wieder jemand für ein paar Worte, ein Lächeln, ein schnelles Winken. Ich erinnerte mich an alle früher gemachten Fehler, zum Glück aber auch an alle Taktiken, was hilft, damit etwa gut läuft. Seit km 5 schaue ich nicht mehr auf die Uhr, sondern laufe einfach. Traumzeit wird das eh keine mehr. Daß der Berg nach Büchenbach hoch nicht lustig wird wußte ich, daß er so lang ist, hab ich vergessen. Ob sich die Quälerei lohnt? Die Verpflegungstelle vom Skiclub Biberttal war ein ein Traum. Es geht doch… ebenso am Ortsanfang von Büchenbach. Auf dem Weg nochmal Peter und Sonja gesehen. In Büchenbach irre gute Stimmung, die Runde um den Dorfweiher wäre ich noch 5 mal gelaufen… wow, das war klasse. Ich klatschte meine Mutter ab und freute mich auf das Bergabstück. Vorher gab es in Büchenbach aber erstmal noch Bier an der Verpflegungsstelle. Das kann ja alles plötzlich Spaß machen! Und danach konnte ich es endlich auf dem Weg zurück nach Roth laufen lassen. Jaaaa!!!
Raindrops… Irgendwann fing es an leicht zu tröpfeln. Zu regnen. Aber es war ok. Ich war daran bestätigt, daß man nicht trainieren muß im Regen zu laufen, das reicht im Wettkampf. Der Speedskater schickte mich mit einer La Ola in die zweite Hälfte und ich lief endlich richtig. Die Sonne verschwand, es wurde erstaunlich dunkel, aber der Regen kühlte und in Kombi mit genügend Wasser an den Verpflegungsstellen kam ich langsam auf die richtige Betriebstemperatur. Ich glaub meine Freundlichkeit war heute nicht immer so ganz groß geschrieben, aber ich wollte einfach den traumhaften Service aus 2015 haben. Leider sind im Regen die Zuschauer deutlich zurückhaltender geworden und manche Stimmungsnester haben in meiner zweiten Runde die Arbeit quasi gänzlich eingestellt. Schade. ABER: etwas mehr Ruhe… hey… das war schon auch gut Zurück durch den Wald zur Lände und dieses Mal wollten die Beine. Kein Frust, keine Traurigkeit, keine Gehpausen. Meine Beine haben kapiert, daß wir heute Marathon laufen! Es war wirklich irre: keine Rücken- oder Knieschmerzen, keine kaputten Zehen, leichtes Brenne im Fußgewölbe, daß sich wie erwartet später als Blase entpuppte, aber nichts, was mich bremste. Keine Atemprobleme, kein hoher Puls, keine Übelkeit oder Magenschmerzen. Ok, ich war deutlich langsamer als vor 2 Jahren in Roth oder bei den Städtemarathon, aber es machte plötzlich einfach Spaß. Die guten Gedanken nahmen überhand. . Am Kanal fühlte es sich endlich wie Roth an. Es wurde leerer, es war ruhiger, ich war zu Hause angekommen . Meinte Mutter holte mich kurz ein, auf dem Weg zurück von der Lände zur Stadt holte ich sie aber wieder ein und plötzlich hatte ich richtig Schritt und kam voran. Ich sah meinen Vater und Frank nochmal und Elke rief mir zu, daß Carolin bei km 38 wäre.
There is always sun after the rain Der Regen hatte mittlerweile aufgehört, es war Waschküchenluft und der Berg nach Büchenbach war nicht leichter als in der ersten Runde, aber ich weiß, daß ich stramm wandern kann und ich wußte daß Carolin da irgendwo am Berg steht. Es war anders als vor 2 Jahren, aber es war nicht schlecht. Mit anderen Athleten ergaben sich mittlerweile Durchhalteparolen.. noch 8 km… noch 7 km… jetzt kommen wir auf jeden Fall ins Ziel. Ich konnte wandernd Einzelstarter überholen und fühlte mich schlecht… aber ich war stolz auf meine Beine und ich freute mich auf Büchenbach. Kurz vorm Ort stand plötzlich wieder die Sonne tief überm Ort und alles war orange-rot und leuchtete. Wow… Gänsehaut… dann rein in den Ort und vorm Dorfweiher lief Wolfgang Petry.
Das ist Wahnsinn… So lief ich doch tatsächlich auch heute mal wieder singend und das Publikum anfeuernd durch einen Ort, jubelte, sang mit und genoß die Weiherrunde noch mehr als beim ersten Mal. Ja, der Weg hoch war die Hölle, aber was dieser Ort auf die Beine stelle war einfach nur geil. Zurück in den Wald, km Schild 36, 37, 38… irgendwann Carolin! Sie lief los, als sie mich sah und machte vor mir Stimmung. Es war nicht nötig, daß sie unsere Staffel ins Ziel rettet, ich hab es allein geschafft, ich hatte Spaß, ich lief gerade meinen 6. Marathon dem Ziel entgegen. Ich hab soviele liebe Menschen unterwegs getroffen, andere Athleten angefeuert, gedrückt, bejubelt, ich wurde von wildfremden angefeuert und über die Strecke getragen. Vorm Zielkanal sammelten wir Elke auf und starteten gemeinsam auf die letzten Meter. Wir wurden zwar noch von einer Staffel überrannt, aber wir bremsten lieber ab um das letzte Stück zu genießen.
An Tagen wie diesen Wir haben es geschafft. ELCARANJA! Im Zielkanal… und es lief doch tatsächlich wie vor 2 Jahren „Happy Birthday“… naja, nicht das was ich mir erwünscht hatte, aber immerhin was mit Tradition. Unter der Ziellinie hörte ich vertraute Klänge… es wird doch nicht doch?... Sandra war im Ziel und hielt mich in den Armen. Elke, Carolin… und jetzt war es klar:
An Tagen wie diesen Wünscht man sich Unendlichkeit An Tagen wie diesen Haben wir noch ewig Zeit In dieser Nacht der Nächte Die uns so viel verspricht Erleben wir das Beste Kein Ende ist in Sicht
Es lief tatsächlich mein Lied! Meine Mutter kam mit ihrer Staffel in den Zielkanal eingebogen, alle da. Noch ein paar Bilder. Freuen, da sein. Wir haben es geschafft.
Gib mir irgendwas was bleibt… Medaille, Finishershirt, Muskelkater, Heißhungerattacken, gute Gefühle. Noch zwei Tage später ist was davon übrig. Ich konnte in der Nacht kaum schlafen, aber es war alles gut. Ich hab mich am Montag noch mit allen möglichen Leuten unterhalten, war abends beim Helferfest und hab danach noch auf der After Race-Party getanzt, bis die Knie weh taten. Ja, ich lebe und manchmal ist Leben doch schön. Warum muß ich dazu Marathon laufen, um das zu spüren? Ich danke allen, die ihren Anteil an diesem Wochenende hatten und die zu meinem Glück beigetragen haben. Ich hoffe es bleibt noch ein bißchen was eine Weile übrig…
Danke an alle, die an mich geglaubt haben und mir die Sicherheit gegeben haben, daß ich es schaffe. Danke Elke fürs Schwimmen und Carolin für Radfahren und das gemeinsame Erlebnis die Unendlichkeit des Rother Triathlonhimmels spüren zu können.
_________________ 06.05.2012 Caldera Blanca 12.10.2014 - München Marathon * 12.07.2015 - Challenge Roth * 27.09.2015 - Berlin Marathon * 25.09.2016 - Berlin Marathon * 27. - 30.11.2016 Lanzarote Running Challenge * 10.12.2016 Lanzarote Marathon * 09.07.2017 Challenge Roth
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