Wagnerli hat geschrieben:
Anja hat geschrieben:
Daß russische Ingenieurstitel nicht grundsätzlich einem deutschen Ingenieursabschluß entspricht sind einfach Erfahrungswerte, die man in der Arbeitsvermittlung gewinnt.
Diese hier
Die hab ich auf diversem Weg erfahren:
- abgeschlossene Berufsanerkennungsverfahren (über Ministerium oder IHK), die ergeben, dann die meisten Igenieure maximal "Techniker" oder "Gesellen"-Niveau entsprechen.
- Rückmeldungen von Fort- und Weiterbildungsinstituten, die bescheinigen, daß die vorhandenen Fachkenntnisse nicht dem Titel entsprechen
- Rückmeldungen von Arbeitgebern, die nach Praktika bescheinigen, daß die Kenntnisse nicht ausreichend sind.
Neben scheinbar vergleichbaren Titeln (ich dachte z. B., daß ein Zahnarzt aus Rußland einfach auch ein Zahnarzt in Deutschland sein könnte, was aber nicht so ist) gibt es jede Menge Abschlüsse, die nicht vergleichbar sind. Für die "Kulturingenieurin Fachrichtung Tanz" findet man nichts. Für die Lehrerin für Russische Literatur die zudem nur auf russisch unterrichten möchte, findet man auch nichts. Eine Agraringenieurin, die in Bulgarien die Straßenkehrer beaufsichtigt hat, tut man sich auch schwer. usw. Das sind Ausschnitte aus meiner ganz persönlichen Erfahrung aus 6 Jahren Erwachsenenbildung mit Arbeitsuchenden und 6 Jahren Arbeitsvermittlung im Jobcenter.
Der russische Zahnarzt stellte sich letztendlich zum einen als nicht wirklich sprachbegabt heraus, so daß er massiv Probleme mit der zahnmedizinischen Fachsprache hatte. Zudem stellte er sich als "Fachzahnarzt für Prophylaxe" heraus - das sind bei und Fachzahnmedizinische Prophylaseassistentinne - weitergebildete Zahnarzthelferinnen. Er könnte also jetzt als Zahnarzthelfer arbeiten. Will er aber nicht, er ist ja Zahnarzt in seinem Empfinden. Da findet er aber nichts, bzw. fliegt wieder raus, weil festgestellt wird, daß er die Arbeit nicht kann und sich nicht adäquat verständigen kann. Und jetzt?
Dann gibt es auch noch uferlos "Diplomabschlüsse", die aber halt nur einfach ein Schlulabschluß ist. Der E-Ingenieur aus Tunesien spricht also auch nach 20 Jahren in Deutschland nur gebrochen Deutsch, als E-Ing. hat er weder im Heimatland gearbeitet noch in Deutschland. Das möchte er aber am liebsten, weil er sich da das beste Gehalt verspricht. Sprachkurs darf ich keinen zahlen (gibt es auch keinen), der ihn auf das Sprachniveau eines deutschen Akademikers bringt. Fachkurs gibt es wenig, falls er einen findet und diesen erfolgreich schafft ist immer noch die Frage, ob ein Arbeitgeber ihn mit diesem Abschluß einstellt oder sich nicht für den Bewerber entscheidet, der die Sprache spricht und nachvollziehbare Abschlüsse hat.
Dei rumänische Diplom-Buchhalterin hat in Deutschland nie in der Buchhaltung gearbeitet, a. G. von Familienzeiten auch die letzten Jahre überhaupt nicht gearbeitet. Möchte aber am liebsten und ausschließlich nur beim Steuerberater arbeiten. Seit einem halben Jahr lernt sie jetzt Buchhaltung, laut Bildungsträger ist sie aber noch meilenweit davon weg auf dieser Basis in einer Kanzlei genommen zu werden. Mehr als leichte vorbereitende Buchhaltung oder allgemeine Büroarbeit kann man sich nicht vorstellen. Und nun?
Die bulgarische Agratingenieurin hat mit Anfang 40 festgestellt, daß sie nochmal was neues lernen muß, am liebsten würde sie Sozialpädagogik studieren. Nur... sie hat keine finanziellen Ressourcen für dieses Studium, während eines Studiums kann auch kein Arbeitslosengeld 2 bezahlt werden. Was rät man da?
Ich könnte beliebig fortsetzen.
Und sobald sie in der Grundsicherung sind ist eh jede Arbeit zumutbar - das ist bei Deutschen oder in Deutschland aufgewachsenen Migranten ja nicht anders. Während einer schulischen Ausbildung oder eines Studiums gibt es keine Leistungen des Jobcenters. Sprachkurse können nur bis Niveau B1 bezahlt werden. Die finanziellen Mittel in den Arbeitsagenturen und Jobcentern werden immer weiter gekürzt. In Regionen mit niedriger Arbeitslosenquote bekommt man fast gar nichts, obwohl gerade die, die da noch übrig sind, besonders viel Unterstützung bräuchten. Da wird helfen schwierig, da ja jede Geldausgabe (Steuergelder!) ja auch wirtschaftlich angemessen sein muß.