R'adys Mountain Marathon hat geschrieben:
- Ein Zelt mit angenähtem Boden, rundherum schliessbar, selbständig stehend (keine Biwaksäcke!)
- Schlafsack für Übernachtungen auf über 2000 m.ü.M. (Keine Rettungsdecken oder Leintücher!)
- OL- / Trekking oder Wanderschuhe mit mindestens 5 mm Profil (Keine Hallen- oder Trainingsschuhe!)
- Je eine Taschen- oder Stirnlampe, mit welcher Karte und Weg mindestens drei Stunden ausgeleuchtet werden können. Ersatzbatterien sind für jedes Lampenmodell obligatorisch.
- Verpflegung: Je nach Kategorie genug für den ganzen Wettkampf. Am Ziel der zweiten Etappe muss pro Person eine Notration für weitere 12 Stunden vorhanden sein.
- Kleidung: Den ganzen Körper bedeckender Wind-, Regen- und Kälteschutz (Jacke und Hose), Ersatzwäsche, Pullover, Mütze, Handschuhe.
- Kocher und Pfännchen, mit einer Brenndauer von mindestens zwei Stunden. Am Ziel der zweiten Etappe muss noch mindestens ein Liter Wasser gekocht werden können.
- Notfall-Apotheke mit mindestens elastischer Binde, Pflaster, Desinfektions- und Schmerzmittel.
- 1 Kompass, GPS-Systeme sind ausdrücklich verboten!
- Je 1 Triller-Pfeife pro Person
- Je 1 Rucksack: wasserdicht oder mit in Plastiksäcken verpackter Ausrüstung
Diese vorgeschriebene Mindestausrüstung ist eigentlich schon der wichtigste Teil der Regeln.
Nachdem wir die letzte Nacht im Auto übernachtet hatten, packen wir morgens unsere Schlafsäcke in den Rucksack um die Pflichtausrüstung zu komplettieren. Schnell noch im Wettkampfzentrum einchecken, dann geht es von Tschiertschen auf 1300m Höhe mit dem Sessellift, der heute extra für die Wettkämpfer eine halbe Stunde eingeschaltet wird, nochmals 500m höher zum Start.
Pünktlich um 10:30 fällt der Startschuß und 160 Läufer setzen sich unter dem Startbanner, das hier einfach mitten auf der Bergwiese aufgestellt ist, in Bewegung.
Doch nur 200 Meter später bietet sich für den unkundigen Beobachter ein seltsames Schauspiel: Jedes Zweierteam schnappt sich einen kleinen farbigen Zettel und fällt auf die Knie. Die Erklärung ist allerdings ganz einfach: Der Zettel enthält die Koordinaten der anzulaufenden Geländepunkte und definiert somit die den Teilnehmern bisher nicht bekannte Laufroute. Und diese Koordinaten gilt es, in die Geländekarte zu übernehmen.
Code:
S1 764,650 185,975 Strasse, Kurve
66 764,375 184,500 Quelle
33 764,975 183,375 See Nordseite
35 767,200 183,800 Südöstl. Stein 3m
65 769,250 183,825 Mulde flach
86 770,425 185,250 Hügel, Pt. 2158
61 771,050 185,300 Mittlere Wegbiegung
Z1 770,800 184,900 Gebäude
Das soll also unsere Aufgabe des heutigen Tages sein.
Zum ersten Posten sind es ungefähr 1,5 Kilometer, die 200 Höhenmeter verteilen sich auf dieser Strecke ziemlich gleichmäßig zu einer einigermaßen angenehmen Steigung. Rennen wollen wir sowieso nicht, denn unsere halb zusammengeliehene Ausrüstung ist alles andere als gewichtsoptimiert und mit Wanderschuhen und schwerem Rucksack auf 2000m Höhe macht Laufen auch nicht wirklich Spaß. Bis auf die letzten paar hundert Meter können wir einem Wanderpfad folgen, dann geht es kurz quer über die Alm. Der Graben des Baches ist aber deutlich zu sehen, so daß wir den ersten Posten an der Quelle problemlos finden.
Zum nächsten Posten müssen wir über einen Bergrücken. Doch das Gelände ist zu steil und unwegsam, um den direkten Weg zu wählen. Also zurück auf den Wanderpfad und auf diesem hoch zu einem passierbaren Joch. Das der Pfad streckenweise unterbrochen ist und stattdessen über äußerst unebene Wiesen verläuft und kurz vor dem Scheitelpunkt bis zu 45° Steigung aufweist, macht die Sache nicht einfacher und ziemlich kräftezehrend. Oben am Joch ist dann der Pfad endgültig zu Ende und wir müssen anderweitig orientieren. Der Kompaß kann aber in der Tasche bleiben, denn die Karte ziegt: genau senkrecht zu den Höhenlinien, also mit maximalem Gefälle (der Mathematiker nennt das Gradient) die steile Wiese runter in den Talkessel. Knie und Oberschenkel freuen sich. Als wir nach einer guten Stunde den Posten am See quitiert haben, lagen auf diesem Teilstück knapp 400m Steigung und 200m Gefälle sowie 3km Horizontaldistanz hinter uns. Zum Glück haben wir damit aber mit 2430m bereits auch den höchste Punkt der Strecke passiert, auch wenn wir uns für den restlichen Tag ständig zwischen 2000m und 2500m Höhe bewegen werden.
Es geht weiter bergab, teils auf Pfadspuren, teils quer durchs Gelände. Statt Zeit für Kartenarbeit zu verschwenden geht es eher im Blindflug nach unten, denn auf halber Höhe sollte ein Fahrweg kommen - und den übersieht man nicht so schnell. 300m tiefer verlassen wir den Fahrweg wieder und folgen kurz einem Bachlauf, um kurz danach im Gegenhang auf einem einigermaßen gehbaren Bergpfad einen großteil der Höhe wieder gut zu machen. Der folgende Posten liegt direkt an diesem Pfad, so daß keine Orientierungsprobleme aufkommen.
Hoch, über einen weiteren Paß, dann sind wir im Skigebiet von Arosa. Auf den weiten Wiesenflächen sind nun die Skilifte gute Orientierungspunkte. Der Kompaß hilft, in der ziemlich verbauten Landschaft die einzelnen Lifte nicht miteinander zu verwechseln. An einer überdimensionalen Tobleroneschachtel vorbei ist es kein Problem, das Speicherbecken für die Beschneiungsanlagen und den daneben stehenden Posten zu finden.
Mittlerweile sind wir in einem Gebiet angekommen, wohin sich auch schon die Spaziergänger von Arosa verirren. Ich möchte nicht wissen, was die denken, wenn wir mit Stechschritt und Startnummer an ihnen vorbeihetzen. Um die Kurve, dann sehen wir schon den Zielbereich und die ersten Zelte im Camp.
Wir haben vorher allerdings nochmal 150m Steigung zu bewältigen, denn die nächste Station ist oben auf dem Hügel direkt über dem Ziel. Die letzten Kräfte mobilisierend nehmen wir auch noch diese Hürde. Zur letzten Station des Tages ist es nicht allzu weit und es geht nur bergab. Der undeutliche Wiesenweg verliert sich nach ein paar hundert Metern. Wir hätten ihn aber jetzt sowieso verlassen müssen, denn laut Karte bietet sich eine Abkürzung direkt über das frei Feld an. Leider antpuppt sich die vermeintliche Wiese als Gras-/Buschland mit ziemlich unebenem Untergrund und wir kommen wesentlich langsamer voran als gedacht. Außerdem erstreckt sich der Wald mehr als 50 Meter weiter nach links als in der Karte eingezeichnet. Da sich der Posten aber an einem breiten Fahrweg befindet, der nicht zu übersehen ist, kann orientierungstechnisch nichts schiefgehen. Schnell die Station quittiert, dann geht die letzten paar hundert Meter zum Ziel. Nach gut viereinhalb Stunden ist es geschafft, die spätere Auswertung sagt, es waren 15km Wegstrecke, 1100m Steigung und 1000m bergab.
Nach der Zeitnahme müssen wir noch durch die Ausrüstungskontrolle, wo sie Regenjacke, -hose, Kompaß und Trillerpfeife von uns sehen wollen. Haben wir natürlich dabei. Also dürfen wir jetzt auf der Kuhwiese unser Zelt aufschlagen. Das Camp ist eigentlich genial gelegen: Oberhalb von Arosa mit einem genialen Panorama.
Nur leider gibt es auf der Camp-Wiese fast keine ebene Stelle und die besten Plätze sind mit Kuhfladen garniert (und die letzte Beweidung scheint gerade mal eine Tag her zu sein). Also Hanglage mit der Hoffnnug, daß wir nachts nicht komplett in die Apsis des Zelts rutschen. Dann einen halben Kilometer spazieren, Kochwasser zapfen und den halben Kilometer wieder zurück. Wasser aufsetzen, Umzeihen, Tütenessen anrühren und dann beim Abendessen so langsam zur Ruhe kommen.
Nach dem nochmaligen Wasserhol-Kilometer einfach nur dasitzen und das Panorama genießen, noch eine Schicht anziehen und dann - deutlich vor der Dämmerung - im Zelt in den Schlafsack verkriechen, denn hier auf 1900m wird es schnell empfindlich kalt. Und zwar richtig kalt! Es ist August, trotzdem geht das Thermometer in dieser Nacht auf 0°C runter. Summer feelings!?!
Als um 5:30 der Böllerschuß zum Wecken durch das Camp donnert bin ich eigentlich schon wach. Geschlafen hab ich gefühlt gar nicht. Erstens war die Alumatte, die wir aus Gewichtsgründen der Thermarest vorgezogen hatten, nicht wirklich bequem, und zweitens war ich die ganze Nacht damit beschäftigt, gegen die Hangneigung anzukämpfen und im Mumienschlafsack wieder hochzurutschen. Vor dem Zelt ist es natürlich noch bitterkalt, und am ganzen Körper zitternd werfe ich erst mal den Esbitkocher an. Dummerweise hat natürlich auch unser Wasservorrat nur knapp über 0°C und so geht wertvolle Zeit und Energie flöten, das Wasser für das Müsli auf einigermaßen akzeptable Temperatur zu bringen. Am Ende ist sogar noch eine kleine Tassheißes Wasser übrig, die wir sofort für einen Mach-einen-guten-Tag-daraus-Instantkaffee nutzen. Das lauwarme Müsli wärmt gut. Nochmal den Kilometer zum Wasserholen absolviert, das vorher in Portionstüten eingeschweißte Iso-Puler reingemischt (löst sich in kaltem Bergwasser übrigens auch nicht), in die gestrigen Wettkampfklamotten gewechselt und dann das Zelt abgebaut. War ja klar daß das noch nicht trocken war und damit ungefähr zwei Kilo schwerer als am Vortag.
Um 08:00 Uhr war dann der Start zur zweiten Etappe. Eigentlich wieder das gleiche Spiel. Die jetzige Strecke geht aber zu einem großen Teil entlang von größeren, eindeutigen Wegen und es gibt nur wenige Stellen, die eine gute Orientierung verlangen. Um die ganze Geschichtge abzukürzen, lasse ich mal die 9 Kontrollposten dieser Etappe weg. Da das Ziel unten in Tschiertschen ist, sind deutlich mehr Bergab-Passagen als am Samstag zu bewältigen.
Auf den 17 Kilometern des heutigen Tages teilen wir uns 2 Powerbar, und nach 400 Metern Steigung aber 1000m bergab (Kniekiller!) können wir uns dreieinhalb Stunden später auf der Zeillinie in die Arme nehmen. Wer ein solches Wochenende mit physischer und psychischer Belastung, Erschöpfung, Hunger und Kälte ohne Zoff gemeinsam duchsteht, der weiß, dasß die Beziehung auf guten Füßen steht.