keko hat geschrieben:
Klugschnacker hat geschrieben:
Was ist das Leben? Haben Tiere eine Seele? Welchen Sinn hat das Leben? Ist die Menschheit gut oder böse? Sind Pflanzen glücklich? Das sind alles Beispiele für Fragen, die sich nicht stellen lassen.
Doch, sie lassen sich stellen. Du stellst sie ja

Die Frage ist, ob wir sie beantworten können, da wir solche Fragen damit erklären versuchen, dass wir sie naturalisieren, aber die Antwort nicht auf diese Art zu finden ist.
Nein, das ist ein Missverständnis. Es gibt Fragen, die sich nicht stellen lassen. "Welche Farbe hat die Abstraktion?", "Warum sind Einhörner innen hohl?", "Was war vor der Zeit?", "Ist die Menschheit gut oder böse?" sind Fragen nach Dingen, die nicht existieren. Die Abstraktion hat keine Farbe, es gibt keine Einhörner, der Begriff "vor" existiert nicht vor dem Beginn der Zeit, Gut und Böse sind Verabredungen zwischen Menschen und lassen sich deshalb nicht auf die Menschheit als Ganzes anwenden. Und so weiter.
Du sagst, indem wir solche Fragen naturalisieren, können wir die Antworten nicht finden. Ich nehme an, mit Naturalisieren meinst Du die Werkzeuge der Logik. Durch logisches Denken käme man nicht zu den Dingen hinter den Begriffen. Diese Ansicht teile ich insofern, als dass Logik nichts anderes ist, als die Bedeutung der Begriffe zu präzisieren und sie gegeneinander abzugrenzen. Es ist eine einordnende Methode, die keine letzten Begründungen liefern kann.
Dieses Manko teilt sie jedoch mit allen anderen Methoden, die eine Erkenntnis liefern sollen!
keko hat geschrieben:
Was ich mit Formalismus meinte, ist folgendes:
Was ist eine Kraft? Man hat herausgefunden, dass eine Kraft proportional der Masse und der Beschleunigung eines Körpers ist.
Hilft mir das? Nein, das hilft mir nicht. Es bleibt weiterhin eine Erklärung offen, was Kraft eigentlich ist. Als nehme ich den Formalismus zu Hilfe und definiere, dass F = ma (nicht mehr nur porportional). Somit umgehe ich die Frage mit Hilfe einer Definition. Wir tun so, als fallen die Kräfte vom Himmel wie die Äpfel vom Baum. Wir wissen zwar mit welcher Kraft man eine Auto auf 100km/h fahren lassen kann, aber warum das wirklich geht, bleibt ein Rätsel.
Naja, man weiß heute schon etwas mehr darüber, warum Kräfte wirken und wo sie herkommen. Aber ich verstehe Dein Argument. Im Kern geht es um die Frage "was ist eine Erklärung". Ist beispielsweise eine mathematische Beschreibung der Kraftgesetze eine wirkliche Erklärung für das Wirken der Kräfte? Dazu zwei Gedanken.
Zum einen muss man verschiedene Erkenntnisebenen auseinander halten. Wer die Handlung eines Romans nicht versteht, wird vergebens mit einer Lupe auf die Buchstaben losgehen. Ganzheitliche und reduktionistische Ebenen sind zu unterscheiden, je nach dem, welche Fragestellung beantwortet werden soll. Fragt man nach der Stärke einer Kraft, nutzt man das Kraftgesetz; die Antwort ist eine Zahl. Fragt man nach der Herkunft der Kräfte, zum Beispiel der Gravitation, liegt die Antwort derzeit bei der Allgemeinen Relativitätstheorie; die Antwort ist ein Satz von Gleichungen, die in mathematischer Sprache eine Einsicht formulieren. In großen Teilen (leider nicht in allen) kann das in eine Alltagssprache übersetzt werden.
Zum anderen geht es um das Wesen einer Erklärung. "Erklären" meint, etwas Unbekanntes auf etwas Bekanntes zurückzuführen. Wenn ich Dir den Begriff "voiture" erklären wollte, tue ich dies, indem ich es auf Dir bekannte Gegenstände zurückführe: Ein voiture ist ein Fahrzeug mit vier Rädern, vier Türen und einem Auspuff. Bingo, gemeint ist ein Auto.
Es ist unmöglich, etwas Unbekanntes mit Unbekanntem zu erklären. "Ein voiture ist ein Koftel, an allen Ecken ein Knaats, hinten ein Nifte" wäre keine Erklärung, da ich lauter unbekannte Begriffe benutzt habe. Es liegt also im Wesen des Erklärens, alle Dinge auf bekannte Begriffe zurückzuführen. Das tut auch die Wissenschaft z.B. indem sie die Kraft auf bereits bekannte Größen zurückführt, aber es ist nicht fair, ihr das vorzuwerfen. Denn insbesondere im Fall der Mathematik hat sie die Palette der nutzbaren Begriffe so stark erweitert und präzisiert, dass sich viele Wahrheiten der Welt nur noch mathematisch ausdrücken lassen. Für manche Fragestellungen ist sie ein sehr wertvolles Werkzeug.
Auch die Philosophie hat in zweieinhalb Jahrtausenden ihre begrifflichen Werkzeuge geschärft und weiterentwickelt, sodass sich mit der kompliziert wirkenden Fachsprache viele wichtige Dinge ausdrücken und damit erklären lassen.
Manch einer akzeptiert nur Erklärungen, die sich mit der Alltagssprache ausdrücken lassen, und weigert sich, über die Grenzen ihrer Reichweite Gedanken zu machen. Komplizierten oder abstrakten Gedanken wird jede Relevanz abgesprochen. Das führt dann zu einer Kalenderblatt-Ideologie, mit ständig sinkender Überzeugungskraft.
Grüße,
Arne