Sonntag, 5.7.2009, 4:45 Uhr
Ich hab gut geschlafen – ungewöhnlich vor einem IM – stehe auf, esse eine Kleinigkeit und mach mich auf den Weg nach Klagenfurt. Um 5:10 Uhr ist die Wechselzone schon richtig gut besucht. Den Preis für den bestvorbereiteten Starter gewinnt eine Dame, die um 5:15 Uhr im komplett angezogenen Neopren ihr Rad aufpumpt.
Ich muss die Radschuhe noch in die Pedalen klicken, entscheide mich aber dann die Schuhe doch lieber in den Beutel zu packen und bis zum Rad barfuss mit Schuhen in der Hand zu laufen da ich nur 100 m vom Ausgang der T1 stehe. Die Radschuhe ziehe ich dann am Rad an und laufe die paar Meter mit den Radschuhen.
Der Preis für den am schlechtesten vorbereiteten Starter geht an einen Herrn welcher den selben Vor- und Nachnamen wie ich trägt!
Als er die Radschuhe in den Radbeutel packen will stellt er fest, dass er die Laufsachen in den Radsack und die Radsachen in Laufbeutel gepackt hat. Manche Athleten scheitern eben schon am Beutelgedönse!
Welch Glück, dass T1 und T2 zusammen liegen, so lässt sich das Malheur noch ausbügeln.
Ich geh runter zum Strandbad und freue mich auf das Schwimmen (ja wirklich!). Mein Plan für heute? Ich weiß es wird heiß und feucht, das ist nicht mein Wetter. Der Tag wird also hart werden. Also einfach mal schauen wie’s läuft.
Ich schwimme noch ein bisschen ein und ordne mich bei den „langsameren“ Schwimmern ein weil ich keinen Bock auf Prügeleien habe.
7:00 Uhr
Der Startschuss fällt und aus einem Boot im See wird ein Feuerwerk gezündet, das hat schon was. Obwohl der Startbereich sehr breit und die Schwimmstrecke relativ gerade ist, gibt es wirklich derbe Prügeleien. Meine Polar wird nach zwei Minuten (wie ich auf dem Rad dann gesehen hab) durch die Schläge eines anderen Athleten gestoppt, zu der Zeit wurde auch schon dreimal die Zwischenzeit durch Tritte oder Schläge ausgelöst.
Nach etwa 45 Minuten kann ich wirklich richtig frei in meinem Rhythmus schwimmen und sehe, dass ich jetzt richtig viele Athleten überhole. Doch jetzt kommt der Eingang in den Lendkanal. Der ist etwa 15 m. breit und bildet die letzten 900 m der Schwimmstrecke. Das witzige ist, dass man hier wirklich fast so was wie einen Sog spürt, das weniger witzige, dass einige wieder meinen hier Positionskämpfe austragen zu müssen. Nach ein paar hundert Metern läuft es allerdings wieder erstaunlich flüssig. Ich klettere an Land und habe 1:09 stehen. Super, ich hätte eher mit einer 1:12 oder mehr gerechnet.
Der Wechsel aufs Rad läuft dank perfekt gepackter Wechselbeutel reibungslos.
8:15 Uhr
Ich rolle am Südufer entlang und freue mich, dass ich schon auf dem ersten Stück mit 12/53 unterwegs bin. Das zeigen jedenfalls meine Schalthebel. Ich hab keinen Tacho dran, aber mein Gefühl sagt mir, dass Trittfrequenz, gefühlte Geschwindigkeit und wahrscheinliche Übersetzung gemäß Lenkerendschalthebelstellung nicht zusammenpassen.
Ein Blick aufs Schaltwerk zeigt: Schalthebel steht auf kleinstem Ritzel, Schaltwerk auf dem vierten. F*ck ...
Ich versuche eine mobile Schnellreparatur, klicke den rechten Schuh aus, dengle ein paar mal ans Schaltwerk und bewege den Schalthebel auf und ab. Die Kette bleibt jedes Mal am vierten Ritzel stehen. So kann ich nicht weiterfahren weil ich in den schnellen Abfahrten nicht mitdrücken kann. Ich bleibe also stehen und schau mir den ganzen Mist an. Nach genauem erkenne ich, dass die Schaltzugummantelung zwischen Schaltwerk und Kettenstrebe aus der Aufnahmetülle am Schaltwerk gerutscht ist. Muss wohl beim Transport im Auto passiert sein, und ich Ochse hab natürlich keine großartige Probefahrt mehr gemacht. Was soll’s, drei Minuten in den Schornstein. Wie sich später herausstellen sollte war Zeit nicht der massgebliche Parameter dieses Tages.
Jetzt läuft es prima dahin und ich komme gut über die erste Runde. Die Temperaturen sind sehr angenehm und es weht eine kühle Brise. Gelegentlich gruppieren sich Pulks aber die Marshalls sind sofort zur Stelle und lösen das ganze auf.
Auf der zweiten Radrunde nehme ich bei km 110 am Verpflegungspunkt ein Isogetränk und schütte das Zeug in meine Aeroflasche. Der erste Schluck kommt mir fast sofort wieder hoch so süß und hochkonzentriert ist das Zeug. Ich verdünne bis zur Oberkante, trinke wieder und es ist immer noch ungenießbar. Ich trinke also den Rest Wasser den ich noch habe und als der weg ist muss ich auf die Plörre umsteigen. Das Zeug verklebt mir den Magen total und ich kann danach weder richtig Wasser, noch irgendwas anderes zu mir nehmen
So langsam steht die Sonne auch hoch am Himmel und es ist heiß und feucht. Ich schwitze nicht mehr richtig und das ist kein gutes Zeichen. Am Rupertiberg hab ich fast das Gefühl zu überhitzen und schütte mir viel Wasser durch den Helm auf die überhitzte Rübe.
Das Laufen wird bestimmt sehr, sehr hart für mich. Die letzten 30 Kilometer nach dem Rupertiberg rollen flott und locker nach Klagenfurt hinein. Ich fühle, dass der Lauf ein Fiasko wird und spiele mit dem Gedanken in T2 das Rennen zu beenden.
Die Radstrecke beende ich in 5:17, das war in etwa die Radzeit welche ich erwartet habe.
Ich spiele mit dem Gedanken jetzt abzubrechen und meine Form für einen zweiten Versuch zu verwenden. Verwerfe den Käse aber gleich wieder weil 180 km Rad in meinem Alter eben nicht morgen regeneriert sind und wo sollte ich noch mal angreifen? Außerdem ist das hier eine Langdistanz, ich habe für bis zu 17 Stunden Entertainment und Verpflegung bezahlt. Das schenke ich nicht so einfach her. Ich beschließe auf alle Fälle auf Laufstrecke mal anzugehen und bei Laufkilometer 22 komme ich ja wieder im Zielbereich vorbei. Dann kann ich immer noch komfortabel aussteigen.
13:35 Uhr
Meine Befürchtungen werden noch bei weitem übertroffen
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. Es geht gar nix mehr! Die Beine sind eigentlich okay, aber der Rest des Körpers ist am Ende! Ich komme mir vor wie ein Dampfkessel der aufgeheizt ist aber kein Wasser mehr in sich hat. Alles was ich aufnehme schwappt in meinem Magen hin und her ohne weiter verwertet zu werden. Ich versuche in einen ruhigen Rhythmus zu kommen bei dem ich das Tempo gegebenenfalls erhöhen kann ...
Fehlanzeige, selbst ein 5:30er Tempo geht nicht. Ich quäl mich über die ersten 12 km rüber und beende die Tortur mit einer zünftigen Gehpause. Beim Gehen schaffe ich es dann auch wieder etwas Wasser aufzunehmen und ein Schluck Cola geht auch rein. Die nächsten 10 km laufe und gehe ich abwechselnd, nach den Verpflegungsständen (Cola, Wasser und Orangen oder Melone) gehe ich ausreichend lang um meinen Magen in Ruhe arbeiten zu lassen.
Tut mir wirklich leid, dass ich meiner Emu-Kutte so eine Schande bereite
Das Schöne am Wandern ist, dass ich viele Leute kennenlerne und mit Bruce aus Texas ein Schwätzchen halte und eine nette Konversation mit Peter aus England. Bei km 22 oder so überholt mich dann ein total frisch aussehender Carvinghugo und ermuntert mich mit ihm weiter zu laufen. Geht aber leider nicht lang. Ich hab die Schnauze jetzt so voll, dass ich beschließe, mich auf eine kleine Wiese am Ufer des Wörthersee zu legen und dann entscheiden ob ich rausgehe oder weitermache. Nach fünf Minuten treibt mich der Ärger dann doch wieder hoch – verdammt ein DNF kommt nicht in Frage. So langsam wirkt aber die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme der letzten zwei Stunden und es geht zusehends länger bei den Laufintervallen. ´
17:30 Uhr
Okay, jetzt ist klar die 12 km kriege ich auch noch weggedrückt. Ein letztes mal nach Klagenfurt rein und wieder raus und dann ab auf die Zielgerade. Sub12 wird locker, selbst wenn ich noch ein Sonnenbad reinbaue allerdings hätte ich gern emu5 weil ich meine bisher makellose Bilanz nicht mit dem „emü5-Smiley“
![Mr. Green :mrgreen:](./images/smilies/icon_mrgreen.gif)
versauen will.
Rechnerisch müsste ich dafür etwa noch 6 bis 7 Minuten auf den letzten 10 gut machen. Ab km 39 wird jetzt nur noch gelaufen und ich kann die Finishline hören. Ich laufe (!!!) bei 11:40 über die Ziellinie. Am Ende bleibe ich trotz einer furiosen Aufholjagd ab km 39 leider 3 Minuten über Emu 5.
Ich freu mich das Rennen trotz der Tortur nicht aufgegeben zu haben, hab aber nicht dieses tolle Gefühl des finishen wie sonst. Liegt wohl wirklich daran, dass ich weiß es wäre mehr drin gewesen. Von der mentalen Anstrengung betrachtet war dies mein klar härtester Ironman.
Irgendwie fühle ich mich ein bisschen um die Lorbeeren für meinen Trainingsfleiss gebracht, andererseits hab ich heute ein paar ganz wichtige Lektionen gelernt.
Fazit:
Klagenfurt ist eine absolut toll organisierte Veranstaltung und uneingeschränkt empfehlenswert. Schwimm-, Rad- und Laufstrecke sind sehr schön, wenngleich die Stimmung auf der Radstrecke auch hier keinem Vergleich mit Roth standhalten kann.
Beim nächsten IM werde ich mich verpflegungstechnisch autark organisieren und nur noch Wasser fassen.
Last not least: I’ll be back in Roth 2010