Donnerstag, 03.07.08Heute wird die Tasche gepackt und das Rad fertig gemacht. ...eigentlich.
Nachdem ich mit der Frage, wie viel paar Socken ich einpacken soll, schon völlig überfordert bin, beschließe ich, diese und alle weiteren lebenswichtigen Fragen erst morgen einer vollständigen Klärung zuzuführen.
Bei einer flüchtigen Inspektion meines Rades muss ich feststellen, dass das Hinterrad platt ist. Die sofort eingeleitete Diagnose ergibt, dass der Mantel seitlich eingerissen ist und irgendwas spitzes dort in den Schlauch eingedrungen sein muss.
Notiz für morgen: Mantel und Schlauch kaufen.
Den Rest des Abends verbringe ich damit, mich mental auf die Tour vorzubereiten
Freitag, 04.07.08Mit vollem Elan gehe ich den Nachmittag an. Mantel kaufen steht auf dem Programm. Im Radgeschäft meines Vertrauens muss ich jedoch feststellen, dass ich hier für den Schwalbe Ultremo im Einzelpack soviel zahlen muss, wie andernorts für den Zweierpack. Da das Verkaufspersonal lediglich einen Preisrabatt von 10% gewähren will, ziehe ich ohne Mantel (und ohne Schlauch) wieder ab.
Sehe ich gar nicht ein, dass die meine Notlage so ausnutzen und mir Wucherpreise berechnen.
Das gesparte Geld lege ich sogleich im Mediamarkt für eine Digitalcamera an, um wenigstens die Eindrücke der Tour auf Karte zu bannen.
Zufrieden kehre ich nach Hause zurück, spiele noch ein wenig mit der Kamera rum, bevor mich bleischwere Müdigkeit aufs nahe gelegene Sofa zwingt.
Etwa vier Stunden später – es ist kurz vor Mitternacht – wache ich aus meinem Koma wieder auf und erinnere mich daran, dass ich a) nach wie vor erst ein paar Socken eingepackt habe und b) das Problem mit dem Hinterrad immer noch nicht gelöst ist. Außerdem wollte ich in etwa neun Stunden in der Nähe von Nürnberg sein. Also aus meiner Ersatzteilkiste einen farblich völlig unpassenden aber neuen Michelin Pro Race Mantel rausgezogen und zumindest erstmal das erste Problem gelöst.
Anschließend alle Sachen eingepackt, die ich in irgendwelchen Schränken und Kisten finden konnte und die irgendwas mit Radfahren zu tun haben. Um drei Uhr meine ich, alles beisammen zu haben und lege mich schlafen.
Samstag, 05.07.08Um viertel nach fünf klingelt der Wecker und entgegen sonstiger Gewohnheit stehe ich sogar auf. Der erste Kaffee steigert mein subjektives Wachheitsgefühl von 0,5 auf 2,5% und nach einer Dusche bin ich sogar so fit, dass ich anfangen kann, mein Zeug ins Auto zu laden.
Um halb sieben geht’s los, die Wegbeschreibung zu LC auf dem Beifahrersitz liegend. Erst der A5, dann der A6 folgend, muss ich irgendwann von der Autobahn runter, womit der schwerste Teil der Orientierung folgt. Es geht über Straßen, die so schmal sind, dass ich mehrmals glaube, eine Einbahnstraße verkehrtherum zu fahren. Einen Mittelstreifen gibt es nicht. Dafür kommen mir Einheimische mit einer Geschwindigkeit entgegen, die mich vermuten lässt, hier in einem Rennfahrernest gelandet zu sein.
Schnelldiagnose: Radfahren muss hier lebensgefährlich sein
Immer kleiner werden die Straßen und ich befürchte, hinter der nächsten Kurve auf eine Absperrung zu treffen, bei der die Straße nicht mehr weitergeht.
LC muss scheinbar per Rauchzeichen mit dem nächsten Posten der Zivilisation kommunizieren, denn Internet oder Telefon gibt es hier bestimmt nicht.
Nach vielen Kehren und Kurven finde ich dann aber tatsächlich zu ihr, habe aber zugleich größte Bedenken, hier jemals wieder rauszufinden.
Eintrag für den Notizzettel: das nächste Mal auch den Weg zurück berechnen lassen und ausdrucken! Alternativ ein Navi statt einer Digicam kaufen.
Nach einem zweiten Frühstück kommt auch Lebkuchen irgendwann mit dem Wohnmobil und wir können die Klamotten einpacken.
Ich bin etwas überrascht, wie klein das WoMo ist. Naja, ist ja nur zum Pennen. Und für den Kaiser wird’s tagsüber schon reichen.
Nachdem ich es mir auf den hinteren Sitzen gemütlich gemacht habe (erster Fehler des heutigen Tages), startet Lebkuchen das WoMo und die Fahrt beginnt. In den nächsten Minuten bin ich unaufhaltsam damit beschäftigt, Dinge, die der Flieh- und Schwerkraft folgend einen neuen Platz suchen, kurz vor dem Aufschlag aufzufangen und sicher zu verstauen, denn Lebkuchen hackt mit dem Wohnmobil um die Kurven, als würde es gelten, einen neuen Rekord auf der Strecke aufzustellen. Normalerweise hart im Nehmen, suchen meine Augen jetzt hilfesuchend das WoMo nach einer geeigneten Kotztüte ab.
In diesen Minuten beschließe ich, ein Tourtagebuch zu schreiben – und zwar sofort. So kann die Nachwelt wenigstens nachlesen, wie es mit mir zu Ende gegangen ist.
Sollte die Motordrehzahl in der nächsten halben Stunde einmal unter 3000 Umdrehungen fallen, dann nur deshalb, weil ein Ortsunkundiger vor uns fährt. Das Nachlassen des Motorengeräusches wird jedoch durch das Fluchen von Lebkuchen mehr als ausreichend kompensiert.
Nachdem wir Fritzi eingeladen haben, gelingt es mir, den Beifahrersitz zu erklimmen. Wurde ich auf dem hinteren Platz nur nach vorne, hinten, links und rechts gewirbelt, kann ich jetzt das Geschehen vor uns aus der ersten Reihe genießen. Mir war bislang nicht bewusst, welche Kurvengeschwindigkeiten mit einem Wohnmobil möglich sind, ohne auf zwei Rädern durch die Kurve zu fahren. Ich kann in den Kurven jedoch eindeutig Reifenquitschen vernehmen.
Unsere weitere Fahrt führt uns nach München, wo wir den Kaiser aufgabeln wollen. Irgendeine Tunnelsperrung nötigt uns dazu, eine Ausweichstrecke zu nehmen, die völlig überlastet ist, Nach ca. fünf Kilometer Stau müssen wir feststellen, dass ein leichter Auffahrunfall die Ursache war. Anstatt, dass die Vollidioten ihre Karren mal kurz auf den Parkstreifen fahren, verstopfen sie also den kompletten rechten Streifen. Dieses Verhalten entlockt Lebkuchen einen weiteren Schwall nicht zitierfähiger Beschimpfungen, die ich in seinem Auftrag im Vorbeifahren den Verursachern zurufen soll. Aus Angst vor ernsthaften Konsequenzen unterlasse ich es aber besser, seiner Aufforderung zu folgen.
Irgendwann sind wir dann auch beim Kaiser und nachdem wir nochmals eine Menge Gepäck eingeladen haben, geht es Richtung Oberammergau.
Unterwegs muss ein armer kleiner Singvogel dran glauben, als Lebkuchen mutwillig mit 130 km/h auf den Kleinen zuhält. Etwas leblos fährt er auf unserem Scheibenwischer liegend noch etwa einen Kilometer mit, bevor ihn die Kraft verlässt.
Kurz vor Oberammergau begegnen uns die ersten Schmerzbefreiten, die in dem beachtlichen Verkehr mit ihren Rennrädern den Berg hochfahren. Eigentlich eine 1A Chance, unliebsame Konkurrenten durch einen leichten Schwenker ins Nirvana zu befördern. Aber Lebkuchen verhält sich absolut sportlich und umfährt die alten Angeber in gebührlichem Abstand.
Auf dem Campingplatz angekommen, stellen wir fest, dass zahlreiche Teams mit Fahrer und WoMo angetreten sind. Die Fahrer erkennt man zumeist an ihrer fülligeren Körperform und dem sehr blassen Teint. Allgemeines Rumgepose beherrscht die Szenerie und man guckt ausschließlich in hoch konzentriert wirkende Gesichter. Scheint allen keinen Spaß zu machen – oder sie wollen uns durch ihren Gesichtsausdruck schon früh daran erinnern, wer morgen der König der Landstraße sein wird.
Dessen ungeachtet machen wir uns auf den Weg zur Startnummernausgabe, was auch relativ problemlos funktioniert. Zuerst bekommt man einen Teilnehmerpass mit dem eigenen Foto. Dummerweise ziert meinen Teilnehmerpass kein Foto, dabei bin ich mir zu 100% sicher, dass ich ein Foto hochgeladen habe. Zumindest behaupte ich das mit ernstem Gesichtsausdruck. In Wahrheit bin ich mir nur zu 90 bis 95% sicher, dass ich ein Foto hochgeladen habe.
Nachdem das Problem aber auch gelöst werden konnte (O-Ton Fotograf: „des moch i nimma“) machen wir uns auf die Suche nach der Expo, wo wir den Inhalt unseres Geldbeutels gegen 1A Hehlerware eintauschen wollen. Irgendwer hat sich den Scherz erlaubt, die Hinweisschilder wild zu verteilen, so dass wir nach geschätzten 15km Fußmarsch endlich auf fünf Stände treffen, die sich Expo nennen.
Also fast so viel los, wie bei einem durchschnittlich organisierten Feld- Wald- Wiesentriathlon. Einzig nenneswertes Highlight ist die Eisdiele, in der wir uns zur Feier des Tages eine dreistöckige Eiswaffel genehmigen. Lebkuchen ist der einzig Vernünftige und nimmt statt der Waffel einen Becher. So hat er wertvolle Kalorien eingespart.
Zurück am WoMo müssen wir feststellen, dass die Garage, in der die Räder stehen, unabgeschlossen war. Zu unserem Bedauern hat das leider keine Sau ausgenutzt. Unsere Räder wollte demnach keiner haben und so langsam gehen uns die guten Gründe aus, warum wir am nächsten Tag nicht starten können.
Dafür kommen uns Sportfreundin, Eisulle und FF besuchen und nachdem wir uns zum Vorglühen das ein oder andere Hefeweizien eingedreht haben, machen wir uns auf den Weg zur Pastaparty. Inzwischen ortskundig, finden wir den Veranstaltungsort relativ schnell.
Die Halle ist voll, es ist unendlich heiß - und es gibt nix mehr zu essen
Wir suchen also den nächsten Italiener auf, der auch eigentlich leicht zu finden gewesen wäre, da Eisulle schonmal hier war und eben bei diesem Italiener essen war, nur will er uns den Weg nicht zeigen. "das letzte mal hat hier Schnee gelegen und es sah alles anders aus"
Nachdem das Gemaule und das Knurren der Mägen immer unerträglicher wird, hat er allerdings eine spontane Eingebung und führt uns zielsicher zum Italiener.
Verlierer des Abends ist eindeutig der Kaiser, denn alle vier Starter bestellen sich Spaghetti mit Öl und Knoblauch - viel Knoblauch
Vermutlich lässt sich das Wohnmobil nach dieser Nacht nicht mehr weitervermieten
Naja, der Kaiser hat die Nacht überlebt
Sonntag 06.07.08Die Nervosität steigt stündlich. Wer wird erstes Emu-Team? Wieviel Stunden können tacis und Lebkuchen dem Frauenteam abnehmen? Werden laufsusis vorsorglich eingekaufte Taschentücher ausreichen, um Lebkuchens Tränen zu trocknen, falls das Frauenteam wider Erwarten vor den Jungs ins Ziel rollt? Fragen über Fragen....
Zunächst kommt aber die Stunde der Wundermittel. Dinge werden angerührt, die wie schonmal gegessen aussehen - und auch so riechen, deren erstaunliche Wirkung aber auch erst einem ebenso erstaunlich kleinem Kreis (einer Person) von Athleten bekannt ist.
Letztlich haben natürlich alle das richtige gegessen, angemixt und in irgendwelche Flaschen gefüllt.
Start ist um zehn Uhr und nachdem das Gequängel von Lebkuchen nicht mehr zu ertragen ist, machen wir uns um viertel nach neun auf den Weg in den Startbereich und müssen uns dort in die letzte Startgruppe einsortieren. Mit der Top ten Platzierung wirds also heute nix
Kurz nach zehn setzt sich das Starterfeld bei schönstem Wetter in Bewegung. Wir radeln also - zuerst leicht bergauf, was man kaum spürt, irgendwann steiler, was man ziemlich deutlich spürt
und irgendwann im Gewitter - was man mehr als deutlich spürt
Der Clou ist allerdings, dass Lebkuchen das Beamen völlig unspektakulär in Perfektion beherrscht. Habe ich kurz vor dem Anstieg noch eine Gruppe angeführt, die mir irgendwann nicht mehr folgen konnten, ging ich noch fest davon aus, dass er auch in dieser Gruppe ist. Als der Regen einsetzt, sehe ich ihn allerdings irgendwo vor mir stehen, als er seine Regenjacke anzieht. Ich bin total perplex und überlege die nächsten Kilometer angestrengt, wie ihm dieses Kunststück gelungen ist.
Nach einer Weile hört der Regen wieder auf - dennoch ist die Abfahrt noch komplett nass - also ist nix mit Volldampf um die Kurven brettern.
Bei der Auffahrt nach Sölden fühle ich mich ein wenig, wie beim Pennergame: tacis ist aggressiv und schlecht gelaunt - oder umgekehrt. Als ich dann noch meine Brille verliere, bekomme ich einen leichten Wutanfall
"fuckin sunglasses" So, Fortsetzung kommt später - jetzt gehts in die Kneipe.
Nachdem ich schon zwei Hefe intus hatte, war in der Kneipe Zurückhaltung angesagt. Auf dem Weg dorthin wurden wir nochmal ein wenig vom aufkommenden Regen geduscht. Das Durchschnittsalter in der gewählten location betrug etwa 70, konnte durch unser Eintreffen kurzzeitig drastisch gesenkt werden, wurde dann aber durch das Eintreffen einer Rentnergang wieder auf 70+ gesteigert werden.
Der Rest des Abends war eher unspektakulär, wenn man mal von LCs Versuch der Legendenbildung absieht. Ich glaube, wenn wir noch eine weitere Stunde dort geblieben wären, hätte sie uns allen glaubhaft gemacht, dass sie eigentlich die Tagessiegerin (gesamt) geworden wäre, wenn da nicht eben dieser Hubschrauber, der Fotograf und die tausenden von Fans gewesen wären.