Moin,
drullse hat geschrieben:
So Chris, ich habe immer wieder nachgedacht, ob ich Dir nun glauben soll oder nicht. Grundsätzlich habe ich mittlerweile zugegebenermaßen Vorbehalte gegenüber bestimmten Berufsgruppen, deren Zahlen"gläubigkeit" in Diskussionen immer wieder für unschöne Aufregung sorgt.
ganz im Ernst, und ohne jede Ironie: Das finde ich gut! Mir ist es tausend mal lieber, jemand benutzt seinen Kopf, und kommt eventuell zu einem anderen Ergebnis als ich, als wenn er einfach irgend etwas nachplappert. Der Titel dieses
sehr empfehlenswerten und witzigen Buches bringt es auf den Punkt. Gerade deshalb hinterfrage ich ja den ganzen Schnickschnack ja immer. Bei Bedarf - Ich will um Himmels will nicht zum PP der Fahrradtechnik werde - kann ich z.B. gerne mal vorrechnen, dass diese Schaltwerke mit den größeren Schaltröllchen Schnickschnack sind.
drullse hat geschrieben:
Also: 1% Gewichtsersparnis bringt 3% mehr Tempo.
Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Damit meine ich das Rad fahren. Beim Laufen habe ich mal überschlagen, dass der Zusammenhang linear ist, dass also 1% weniger Gewicht 1% mehr Geschwindigkeit bedeutet. Das passt einigermaßen zu dem
Rechner von Peter Greif, der 0,85% pro Prozent Gewichtsersparnis ausspuckt.
drullse hat geschrieben:
(...)und ich wäre also nach Deiner Rechnung rund 15% (= 81 Minuten) schneller unterwegs. Es leuchtet ein, dass da was nicht stimmen kann.
Im ersten Moment habe ich gar nicht geschnallt, wie Du darauf gekommen bist:
15% = 81min
<=> 5% = 27 min
<=> 100% = 540min = 9:00
bis mir dann aufgegangen ist, dass Du Dich auf die gesamte Zeit und nicht nur aufs Rad fahren bezogen hast.
Also, die 180km in 5h sind ein 36er Schnitt.
15% durch 5% Gewichtsersparnis sind ein 41er Schnitt.
Das passt natürlich nicht.
Denn dieser Geschwindigkeitszuwachs wird vom Luftwiderstand aufgefressen. Der wächst ja quadratisch (dopelte Geschwindigkeit bedeutet also vierfache notwendige Kraft), und die Leistung wächst dementsprechend kubisch (doppelte Geschwindigkeit bedeutet also achtfache notwendige Leistung). Das bedeutet in konkreten Zahlen wenn ich statt 5h nur 4,5h für die 180km benötige, muss ich nur für die Überwindung des gestiegenen Luftwiderstandes die Antriebsleistung um 37% erhöhen. D.h. wenn man einigermaßen anständig Rad fahren kann, frisst der Luftwiderstand alle Vorteile auf. Das ist im Grund die gleiche Überlegung, warum man die Verbesserung des Materials nicht an den Profizeiten ablesen kann.
Man kann also nicht pauschal für alle sagen, dass 1% weniger Gewicht 3% mehr Geschwindigkeit bedeuten, sondern man muss den konkreten Fall betrachten, in dem die "Grundgeschwindigkeit", die man ohne irgendwelchen Schnickschnak fahren kann, eine ganz fundamentale Rolle spielt. Je schneller man so schon ist, desto weniger bringt es. Die gute Nachricht ist aber, dass es umso mehr bringt, je langsamer man ist. Deswegen argumentiere ich ja so ausdauernd für leichte (und teure) Fahrradteile.
Eine Überlegung noch zur Plausibilität: Der Rollwiderstand wird fast ausschließlich von den Reifen verursacht, dem gegenüber kann ich die Reibung in den Radlagern vernachlässigen (Wobei die auch proportional zum Gewicht ist). Bei konstantem Luftdruck ist dieser Rollwiderstand proportional zum Gewicht, dh. 1% weniger Gewicht bedeutet 1% weniger Rollwiderstand. Wegen der Geschichte mit dem Luftwiderstand bedeutet das natürlich nicht 1% mehr Geschwindigkeit, sondern 0,x% mehr Geschwindigkeit. Wobei dieses x eben von der Grundgeschwindigkeit abhängt. Dazu kommt dann noch die Geschichte mit den Hügeln sowie die ganzen Beschleunigungsvorgänge nach jeder Kurve und nach jedem Hügel.
drullse hat geschrieben:
So - das war jetzt mal mein "Haste gut gemacht!" - Statement, denn wir Du siehst: es beschäftigt mich.
Das Statement kann ich zurück geben. Bei den 81 Minuten Verbesserung musst ich auch erst mal einen Moment überlegen.
Viele Grüße,
Christian