Und schon kommen die Erinnerungen des nächsten Tages:
Dienstag, 08.07.08Heute soll angeblich die härteste Etappe kommen. Wie das gehen soll, ist mir schleierhaft und falls dem so ist, weiß ich auch nicht, wie ich ins Ziel kommen soll.
Im Roadbook liest sich das so:
Gesamtstrecke: 90,55km
Höhenmeter bergauf: 2909HM
Max. Höhe: 1987 Meter
Den Erlebniswert erspare ich euch mal. Da stehen sowieso jeden Tag 5 Punkte für Panorama und Fahrspaß.
Wer so was schreibt, muss masochistisch veranlagt sein. Und wer kann schon das Panorama genießen, wenn ihm dauernd 16mmol Laktat in den Augen rumschwappen?
Zunächst geht es mal 35km bergauf von Brixen (etwa 500Meter) aufs Würzjoch (1987Meter) – diesmal allerdings ohne Regen.
Auf dem Weg dorthin verliere ich jedoch Jürgen bei der ersten Verpflegungsstation. Er hat zunehmend unter starken Schmerzen im Knie zu leiden und hat größte Mühe, den Abstand zwischen uns auf mehr als 50 Meter auszuweiten (Zur Klarstellung: er fährt vorne, ich keuche hinterher).
Bei dieser Verpflegungsstation bin ich jedenfalls davon ausgegangen, dass er an mir vorbei ist und da ich noch mit Getränke und Gel fassen beschäftigt bin, denke ich, er ist voraus gefahren.
Bis zum Würzjoch und der folgenden Abfahrt finde ich ihn natürlich nicht mehr. Da er aber vorher stärker als ich bergauf gefahren ist und auch kein schlechter Abfahrer ist, halte ich das noch für plausibel. Gut, denke ich mir. So werden Legenden geboren. Kurz vorher waren seine Schmerzen noch so stark, dass eigentlich das Bein kurz oberhalb des Knies amputiert werden müsste und nun fährt er mir locker davon.
Erst später erfahre ich, dass er ein paar schweizer Physiotherapeutinnen kennengelernt hat, die ihm liebevoll umsorgt haben. Außerdem hat er bei jedem Tourarzt angehalten, den er unterwegs getroffen hat, hat allen die gleiche Geschichte erzählt und ist so auf eine bemerkenswert hohe Anzahl hoch dosierter Schmerzmittel gekommen. Im Ziel machte er später auch einen sehr zufriedenen und ausgeglichenen Eindruck – aber dazu später mehr.
Zunächst geht’s also vom Würzjoch auf trockener Straße runter ins Tal. Zweimal schaffe ich es gerade noch, der bedrohlich nah kommenden Leitplanke im letzten Moment auszuweichen.
Leider habe ich das Roadbook nicht mehr richtig in Erinnerung, deshalb weiß ich auch nicht mehr so genau, ob jetzt noch ein Pass kommt, oder nicht. Andererseits fehlen mir noch etwa 800 Höhenmeter und ca. 40km. Also rein theoretisch müsste da noch was kommen.
Als ich etwas naiv einen älteren Teilnehmer frage, ob das jetzt schon alles sei, entgegnet er völlig entrüstet, dass noch der Furkelpass kommen würde. Ich Doofie, wie kann ich nur den heiligen Furkelpass vergessen…

Außerdem wird gleich noch hinterhergeschoben, dass dieser schließlich mit Steigungen von bis zu 20% aufwartet.
Diese Information hätte ich jetzt nicht gebraucht, denn mein Akku meldet langsam einen kritischen Ladezustand.
Der Furkelpass hat es echt in sich und das mit den zwischenzeitlichen Steigungen scheint sich der Kerl auch nicht ausgedacht zu haben. Ich beschließe, mich sofort bei der nächsten Gelegenheit von der Warteliste des Ötztalers nehmen zu lassen. Berge fahre ich nach dieser Tour nur noch mit dem Auto.
Als ich mich dem Ziel nähere halte ich angestrengt Ausschau nach Lebkuchen und dem Kaiser. Eigentlich steht er ja immer am Zielkanal – aber ich finde keinen von beiden.
Dafür stürze ich mich auf die Zielverpflegung und habe innerhalb kürzester Zeit fünf Nektarinen verdrückt Ein Blick aufs Handy zeigt mir einen Anruf vom Lebkuchen um kurz nach zwölf (mittlerweile ist es ca. 15 Uhr). Erstmal kein gutes Zeichen. Zurückrufen kann ich ihn auch nicht, weil mir eine freundliche Frauenstimme sagt, dass mein Gesprächsguthaben aufgebraucht sei und falls ich mein O2 Guthaben aufladen möchte, irgendeine Taste drücken soll. Etwas irritiert lege ich auf. Ich meine mich zu erinnern, dass ich einen T-Mobile Laufzeitvertrag habe.
Ein Anruf beim Kaiser verläuft dagegen erfolgreich. Er steht ziemlich weit vor dem Zieleinlauf – und statt meinen Namen bei meiner Ankunft zu rufen, hat er mich vor irgendeinem Gulli gewarnt. Kein Wunder, dass ich ihn nicht wahrgenommen habe.
Der Lebkuchen kommt etwa eine Stunde nach mir ins Ziel – wie bereits erwähnt, mit zufriedenem Gesichtsausdruck. Wohl nicht wegen seiner Zeit, aber aufgrund der Wirkung der ganzen Substanzen, die er unterwegs verordnet bekommen hat.
Kurz danach kommen auch die Mädels ins Ziel. Sie sind ein Stück mit dem Lebkuchen zusammen gefahren, konnten nur auf der letzten Abfahrt sein mörderisches Tempo nicht mitgehen.
Da sie ein paar Minuten nach uns gestartet sind, könnte die heutige Tageswertung theoretisch an die beiden gehen. Da Internet auf unserem heutigen Campingplatz alle ist, haben wir leider keine Möglichkeit, dieser drängende Frage auf den Grund zu gehen.
Das schönste an der heutigen Etappe: es hat nicht geregnet und im Ziel schien die Sonne.
Bock auf die morgige Etappe haben wir dennoch nicht so richtig. Ob Lebkuchen noch mal startet, ist im Moment auch noch ungewiss.
Wir sind dann später noch mal zum Ziel runtergegangen und haben ausgiebigst die Ergebnislisten studiert. Resultat: wir sind zeitlich vor den Mädels ins Ziel gekommen
