"Diese Hexenjagd ist absurd. Schuld ist das System"
Ironman-Sieger Faris Al Sultan über Dopingsünder im Radsport und Dummköpfe beim Triathlon
ANTWORT: "Epo allein nützt auf der Langdistanz nichts. Wir haben mit Muskelermüdung zu kämpfen und mit der richtigen Ernährung."
Faris Al Sultan ist in jeder Hinsicht ein ungewöhnlicher Sportler: Seine Mutter ist Münchnerin, sein Vater Iraker - sein Dialekt bayerisch. Als Triathlet gehört Al Sultan zur Weltspitze, 2005 gewann er die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii. Wie kaum ein anderer deutscher Athlet engagiert sich der 29 Jahre Al Sultan im Anti-Doping-Kampf, selbst DOSB-Präsident Thomas Bach bekam das zu spüren. Am 1. Juli startet Al Sultan beim Ironman in Frankfurt, wo alle Profis eine eidesstattliche Versicherung unterschreiben mussten, niemals in ihrem Leben gedopt zu haben. Um diese Versicherung gab es Wirbel, ausgelöst vom ehemaligen Telekom-Radprofi Kai Hundertmarck, der eine Passage im Text durchstrich und deswegen in Frankfurt Startverbot erhielt. Nicht nur der Darmstädter Sportrechtsexperte Thomas Schmidt, derzeit Strafverteidiger im Prozess am Landgericht Frankfurt um den Wettskandal im süddeutschen Regionalligafußball, hält die Formulierungen in der eidesstattlichen Versicherung "teilweise für unpräzise und rechtlich nicht bindend".
FRAGE: Nach langem Ringen hat sich diese Woche der Bundestag auf ein deutsches Anti-Doping-Gesetz geeinigt, das im September vom Parlament verabschiedet werden soll. Durch alle Fraktionen ist Skepsis über das Minimalergebnis laut geworden. Wird diese von Ihnen geteilt?
ANTWORT: Entscheidend wird sein, wie dieses Gesetz in der Praxis angewandt wird. Denn es gibt ja viele Gesetze in Deutschland. Für mich geht es nicht darum, dass Athleten ins Gefängnis kommen, so ein Gesetz soll in erster Linie abschrecken. Der Anti-Doping-Kampf dürfte jetzt leichter werden, weil sich die Polizei daran beteiligen kann. Denn die jüngere Geschichte zeigt ja, dass die großen Erfolge beim Aufdecken von Straftaten im Sport auf Zollkontrollen an Landesgrenzen oder Polizei-Razzien in Hotels beruhen.
FRAGE: Sie hatten im Dezember 2006 Thomas Bach, den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), per offenen Brief getadelt, weil er offenbar gegen so ein Gesetz war.
ANTWORT: Ich habe mich damals über Bach geärgert, weil ich den Eindruck hatte, als ob er die Diskussion um ein Anti-Doping-Gesetz auf kleiner Flamme kochen wollte. Aber wir haben doch gesehen, dass in Italien und Frankreich richtig viele Athleten wegen Dopingmissbrauchs überführt worden sind - aufgrund von Ermittlungen der Polizei. Darauf wollte ich den Präsidenten hinweisen.
FRAGE: Hat er geantwortet?
ANTWORT: Er selbst nie, nur sein Sekretariat. Später bekam ich dann die Möglichkeit für ein gutes Gespräch mit DOSB-Generaldirektor Michael Vesper.
FRAGE: Gab es eigentlich von anderen Sportlern Unterstützung für Ihre Aktion?
ANTWORT: Bis auf die sechs Mitunterzeichner aus dem Triathlon hat sich niemand dazu geäußert.
FRAGE: Erstaunlich, oder?
ANTWORT: Ich hatte mir eine größere Solidarität erhofft. Allerdings starte ich als Langstreckenathlet in keiner olympischen Disziplin, bin also unabhängig vom DOSB. Für die meisten anderen Athleten in Deutschland gilt das nicht, und deswegen hat wohl der ein oder andere Angst gehabt, den Mund aufzumachen.
FRAGE: Was treibt Sie an in Ihrem schon jahrelangen Kampf gegen Sportbetrug?
ANTWORT: Weil ich nicht will, dass wir unter einem Generalverdacht stehen, so wie jetzt die Radsportler. Ich habe genügend saubere Triathlonkollegen kennengelernt. Zudem haben wir eine Vorbildfunktion. Wenn mich 1000 Kinder im Fernsehen bei der Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii ansehen, dann wäre es ein sagenhafter Erfolg, wenn 100 davon selbst danach das Training aufnähmen.
FRAGE: Aber Sie stehen als Hawaii-Sieger von 2005 in der Öffentlichkeit. Und es wirkt immer, als ob Sie Betrug im Sport schlicht für schäbig halten.
ANTWORT: Das auch. Es gibt zudem absurde Fälle, wie der des Athleten, der einst beim Ironman in Klagenfurt Platz 66 erreicht - und an der Grenze mit anabolen Steroiden im Kofferraum erwischt wird. Das ist doch totaler Schwachsinn. Leute wie dieser Mann sollen einfach mehr trainieren.
FRAGE: Womit wir im Breitensport angelangt sind. Ihr Kollege Lothar Leder vermutet, dass der Triathlon ähnlich dopingverseucht ist wie der Radsport. Es würden nur die Beweise fehlen.
ANTWORT: Zumindest dürfte auf der Kurzdistanz mehr gedopt werden als auf der Langdistanz, weil auf den Ultrastrecken Doping nicht viel bringt.
FRAGE: Sie machen Witze. Das Ausdauer-Wundermittel Epo soll hier nichts bewirken?
ANTWORT: Epo allein nützt auf der Langdistanz nichts, denn hier wirken noch andere Faktoren leistungslimitierend als nur die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität. Wir haben mit Muskelermüdung zu kämpfen - und mit der richtigen Ernährung. Wer bei einer Renndauer von über acht Stunden einen Hungerast bekommt, dem hilft Epo auch nicht weiter. Gleiches gilt bei übermüdeter Muskulatur. Hier würden anabole Steroide weiterhelfen, die wiederum sehr leicht nachweisbar sind und deswegen nur noch von Dummköpfen benutzt werden.
FRAGE: Wie erleben Sie eigentlich die aktuellen Dopingenthüllungen im Radsport?
ANTWORT: Im Grunde ist das alles nichts Neues, wir haben doch alle gewusst, wie es dort zugeht. Es ist daher ein Witz, wenn jetzt Bjarne Riis oder Jan Ullrich seine Tour-Siege aberkannt bekommen sollen. Denn wer soll stattdessen Sieger sein? Bei den Radfahrern gibt es doch keine Unterschiede, da dopt die Nummer eins der Tour de France genauso wie die Nummer 25. Die kämpfen alle mit denselben Waffen.
FRAGE: Aber Sie können doch nicht ernsthaft den Dauerleugner Jan Ullrich weiterhin als Sportkollegen respektieren?
ANTWORT: Als besonders intelligent hat er sich noch nie verkauft, so ehrlich muss man schon sein. Mir gefällt aber nicht, wie er jetzt demontiert wird. Im Grunde hat er doch niemanden betrogen - denn seine Konkurrenten haben doch ebenfalls alle gedopt. FRAGE: Warum auf einmal so milde? Das passt gar nicht zu Ihrem Auftreten als harter Dopingbekämpfer.
ANTWORT: Weil diese Hexenjagd absurd ist. Die Öffentlichkeit glaubt doch, dass nur Ullrich oder Riis betrogen haben - und die anderen 590 Fahrer arme Unschuldige sind. Hier muss man vielmehr ein System verurteilen, das auch deutsche Ärzte von der Freiburger Uniklinik mitgetragen haben. Das ist das eigentliche Verbrechen.
FRAGE: Kurt Denk, der Organisator des Ironman Frankfurt, will sich im Anti-Doping-Kampf profilieren. Aber den Wert seiner geforderten eidesstattlichen Versicherungen der Profis bezweifeln Juristen. Betreibt Denk nur Aktionismus?
ANTWORT: Ich kann Kurt Denk gut verstehen, denn er will keine Veranstaltung, bei der alle Athleten unter Generalverdacht stehen. Grundsätzlich wäre es natürlich besser, wenn sich alle Veranstalter zusammenschlössen. Nur wie lange dauert das? Denk will, dass im Anti-DopingKampf etwas passiert, und dieser Antrieb bringt uns erst mal weiter.
FRAGE: Denks Antrieb hat aber auch für ein lebenslanges Startverbot für Nina Kraft gesorgt, die als Hawaii-Siegerin 2004 des Epo-Missbrauchs überführt worden, von der Deutschen Triathlon Union zwei Jahre gesperrt worden ist und nun wieder an Wettkämpfen teilnimmt. Halten Sie Denks Strafmaß für gerecht?
ANTWORT: Es widerspricht unseren Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit. Wer seine Strafe verbüßt hat, muss wieder ins System eingegliedert werden. Wenn nicht, dann muss man fast von Berufsverbot sprechen. Kurt Denk ist ein Kämpfer für sauberen Sport, weil nur dieser die Zukunft seiner Veranstaltung garantiert. Vielleicht hat seine harte Haltung auch etwas Gutes. Abschreckend ist sie auf jeden Fall. Das reicht ja schon.
Das Gespräch führte Steffen Gerth.
ANTWORT: "Epo allein nützt auf der Langdistanz nichts. Wir haben mit Muskelermüdung zu kämpfen und mit der richtigen Ernährung."
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 17.06.2007, Nr. 24 / Seite 24