Ich habe mal vor einiger Zeit einen Text geschrieben, wie ich die mentale Seite eines Langdistanz-Triathlons sehe (Ich weiss gar nicht ob ich das hier schonmal gepostet habe). Daher setze ich das hier einfach nochmal rein. Vielleicht liest es ja jemand.
Langdistanz Triathlon - Körperlich fit, Mental ein Wrack ?
Noch zwei Wochen bis Roth, drei bis Frankfurt, das Training läuft auch Hochtouren, die letzten Kilometer werden abgespult, Wettkampfintensitäten ausgelotet und die ersten Kurz- und Mittel Triathlon-Veranstaltungen sind bereits vorbei. Man fühlt wie der Körper das Training annimmt und umsetzt, wie die Geschwindigkeit auf dem Rad von alleine steigt und die 1000er Intervalle beim Schwimmen einfach runtergespult werden. Aber wie sieht es im Kopf aus, was denkt man im Rennen, wie verhält man sich in schwierigen Situationen ? Tri4u.de spielt mal einige Szenen durch und versucht, Tipps für Mentalstrategien am Wettkampftag zu geben.
Neun, zehn, zwölf oder sogar 14 Stunden Wettkampf. Das ist eine lange Zeit, die man selbst bei ehrgeizigem Training nicht simulieren kann. 50 Prozent des Erfolges bei einem Langdistanz-Triathlon sind aber auf die mentale Stärke des Einzelnen zurückzuführen. Schliesslich sollte jeder, der morgens um sieben an der Startlinie steht, sich in den letzten Monaten entsprechend körperlich vorbereitet haben. Und dann ist er da, der grosse Tag.
Positives Denken Immer wieder begegnet man morgens bei den Startvorbereitungen den Zweiflern, den Pessimisten. Habe ich alles richtig gemacht, schaffe ich das ?? Ja ! Natürlich ! Das sind die einzigen Antworten, die man sich auf diese Frage geben darf. Es gibt keine Zweifel, natürlich kommt man durch, man wird finishen, egal was passieren wird.
Mentales Training Schon in den Wochen vorher muss man sich diese positive Einstellung aneignen: "Ja, ich kann die 3,8 Km durchkraulen. Ich werde auf dem Rad meinen Spass haben und der Marathon ist ja nur noch die letzte Etappe vor dem grossen Ziel!" An Schmerzen, Verzweiflung und Durchhänger sollte man sich bereits während des Trainings gewöhnt haben, egal ob es bei der fünfstündigen Radtour oder beim langen Lauf am Abend ist. Sie gehören einfach dazu, man lernt, damit umzugehen.
Mentale Fehler Gerade für den Langdistanzeinsteiger gibt es einige Dinge, die man beachten sollte, um den Wettkampftag im Kopf so erfolgreich wie möglich zu gestalten. Viele von den Tipps können sich aber auch die bereits Erfahreneren nochmal genau durchlesen.
Schwimmen Kein Stress vor dem Schwimmstart. Um Dich rum sind alle genauso aufgeregt wie Du, versuche, der ruhende Pol in der Mitte des Sturms zu sein. Ziehe rechtzeitig den Neopren an, setze Dich nochmal 2min auf den Rasen und mache die Augen zu. Sei rechtzeitig am Schwimmeinstieg und reihe Dich im Starterfeld dort ein, wo Du Dich deiner Schwimmleistung entsprechend einzuordnen weisst. Im Zweifel lieber etwas weiter hinten und an der Seite stehen als gleich am Anfang von schnelleren Überschwommen zu werden. 3,8 Km sind lang, da hat man viel Zeit, andere zu überholen. Nach dem Start Ruhe bewahren, keinen Startsprint hinlegen sondern sich die Strecke in Abschnitte einteilen (Bojen), auf denen man versucht, kleine Ziele zu erreichen.
Wechseln Ruhe bewahren, tief durchatmen und ruhig durch die Wechselzone. Dieses Prozedere sollte man in den Wochen vorher schon bei geschlossenen Augen immer und immer wieder durchgegangen sein.
Radfahren 180Km sind lang. Sieh es nicht als eine Radstrecke, sondern als mehrere Strecken mit kürzerer Distanz. Teile Dir, wie beim Schwimmen, die Strecke in Abschnitte ein und versuche, in den einzelnen Abschnitten Dein Rennen zu machen. Im ersten Abschnitt erstmal den Puls runterbringen. Der grösste Fehler, der hier gemacht werden kann, ist sich von anderen, die einen überholen, mitreissen zu lassen. Ruhe bewahren und sich ganz auf sich selbst konzentrieren ist ganz wichtig in der ersten Stunde auf dem Rad. Nur wer hier ruhig fahren kann, kann auch schnell anfangen, sich richtig zu ernähren und zu trinken. Versuche, Dich von einem Abschnitt nur auf den nächsten zu konzentrieren "Ich will die nächsten 20km ein wenig mehr Druck machen", "Bei der nächsten Steigung versuche ich an die weit vor mir liegenden Fahrer langsam näher ranzukommen", "Ich muss essen und trinken". Auf Teufel komm' raus das Rad über die Strecke zu prügeln rächt sich im letzten Wettkampfabschnitt garantiert. Freue Dich auf bestimmt Streckenabschnitte, wo Du Freunde sehen kann, wo die Stimmung gut, wo es was zu schauen gibt und, ganz wichtig, Lächeln !! Lächel mal die Helfer an den Verpflegungsstaionen an, sage mal Danke zu den Kindern, die die leeren Radflaschen einsammeln und lächel auch für Dich. Ein Lächeln im Gesicht entspannt ungemein! Die letzte Stunde auf dem Rad ist oft hart, aber nicht nur für Dich alleine. Der Nacken schmerzt, die Beine tun weh ? Egal ! Bald ist es geschafft, vergiss nicht zu lächeln, verpflege Dich ordentlich und fange schon mal an in Deinem Kopf den Film laufen zu lassen, den Deine Freunde an der Strecke mit der Videokamera für Dich drehen. Stell' Dir vor, wie Du in die zweite Wechselzone einläufst, es geniesst, Deine Laufschuhe anziehen zu können und loszutraben. Freue Dich darauf, die Zuschauer am Ausgang der Wechselzone abzuklatschen, dann geht auch die letzte Stunde schnell rum.
Laufen Hey, kilometermässig hast Du den grössten Teil jetzt schon hinter Dir ! Es sind ja nur noch etwas mehr als 42 Kilometer, das wäre doch gelacht, wenn Du die nicht auch noch schaffen würdest. Denke daran, Laufen tut gut nach dem Radfahren ! Finde Deine Geschwindigkeit, lass Dich wieder nicht von anderen verleiten, schneller anzulaufen als Du es wolltest. Die ersten zehn Kilometer gehen so schnell rum. Konzentriere Dich auf Deine Schritte, halte Deine Körperspannung, Essen, Trinken, Salz, Kühlung. Eigentlich ist man beim Laufen die ganze Zeit gut beschäftigt. Aus der Entfernung hörst Du schon das nächste Stimmungsnest. Freue Dich auf die Musik, wenn Du vorbeiläuft und geniesse dann auch mal wieder die Ruhe, wenn mal weniger los ist an der Strecke. Denke nicht daran, wie sehr die Sonne brennt, sondern nur daran, dass Du an der nächsten Verpflegung wieder genügend Schwämme mitnimmst. Jenseits der 30 Kilometer Marke verinnerliche, dass es jetzt nur noch der Endspurt ist. Vor Deinen Augen sollte nur noch der Zielbogen existieren, die Stimmung im Zielkanal und die Finisher-Medaille.
Das Ziel Kilometer 35 und Du würdest am liebsten stehen bleiben, Dich hinsetzen, oder vielleicht doch noch gehen ?? Wenn Du bis hierher gekommen bist, dann reiss Dich zusammen und bringen "Dein" Rennen mit Anstand zu Ende. Anstand heisst auch Laufen, nicht gehen. Na gut, durch die Verpflegungsstationen darfst Du durchgehen, wenn es denn sein muss. Und dann ist er da, Kilometer 40. Noch zehn bis zwölf Minuten und Du tauchst ein in den Jubel der Zuschauer, Schmerzen verfliegen, die Quälerei liegt hinter Dir. Jetzt nur noch ein gutes Bild abliefern, im wahrsten Sinne des Wortes: Trikot zu, die Schwämme raus aus dem Einteiler (Denkt an Macca auf Hawaii 2007), das Kappi zurechtrücken, vielleicht die Sonnenbrille absetzen und den Einlauf geniessen. Du kämpft um einen Quali-Platz ?? Schau' Dich nicht um, dass ist für den, der hinter Dir läuft das Signal zum Sprint. Schau' lieber nach vorne, ist da noch jemand, kannst Du den Buchstaben auf der Wade erkennen, der die Altersklasse markiert, kriegst Du Ihn noch ?? Jetzt heisst es, das letzte aus Dir rauszuholen, da sind immer noch Reserven, auch nach einem harten Rennen.
Und dann bist Du da, die Zuschauer klatschen, Musik dröhnt aus den Lautsprecher, der Sprecher am Mikrofon ruft Deinen Namen. Lächeln !! Denke an das Foto, zeige, dass es Dir trotz aller Quälerei auch Spass gemacht hat. 226 Kilometer nur mit Muskelkraft-Du bist im Ziel!
_________________ Du kannst aus einem dicken Schwein kein Rennpferd machen, aber Du kannst versuchen, daraus das schnellste Schwein zu machen.
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