Kraichgau 08 (L) - Waterloo mit Ansage
Eigentlich war es von vorneherein klar: Im Winter hat eine Erkältung die nächste abgelöst, dann der Wohnungskauf und Umzug im Frühling, keine Zeit für's Mallorca-Trainingslager und dann noch massiver Ärger im Beruf, alles in allem war einfach keine ordentliche Trainingsplanung drin. Dementsprechend kann ich dieses Jahr wohl nicht erwarten, an die Leistungen des Vorjahres anzuknüpfen. Gewonnen wird zwar im Kopf, aber der Stoffwechsel findet halt doch noch in Magen und Darm statt.
Aber nun mal der Reihe nach:
Anreise und Hotel im Kraichgau waren wie immer supernett und unkompliziert, Abholen der Startunterlagen, Beutel packen dank meiner unschlagbaren Checkliste schnell erledigt, Rad Check-In am Vorabend einfach.
Zum Frühstück am Sonntag war ich ein wenig spät, und so konnte ich die Prominenz (Nina Eggert, Chris McCormack) nur noch kurz bestaunen, denn die mußten noch zum Check-In. Hat eigentlich jemand dieses singende Zottelmonster gesehen oder gehört?
Zum Schwimmstart war ich wie immer ein wenig spät, denn ich muß traditionell kurz vorher noch mal aufs Töpfchen, und so war auch für den Plausch mit Taunusschnecke nicht so richtig viel Zeit.
Auf dem Weg zum Schwimmstart gab's dann noch einen kurzen Kontakt mit den anderen EMUS, aber auch hier ging's - die hatten ja noch 7 Minuten mehr Zeit bis zum Start - drum, über diese doofe Brücke zum Start zu kommen.
Leider mußte meine Startmeditation aus Zeitgründen ausfallen,
denn wenn zwei Minuten vor dem Start der Neo noch offen und die Füße noch trocken sind, ist nicht mehr viel Zeit zum Nachdenken: Neo irgendwie zu, Kappe auf, Brille auf, schnell jetzt, "Hell's Bells" (traditionelle Startmusik im Kraichgau) spielt schon.
Kaum war ich von hinten ins Startfeld geschwommen, ging's auch schon los. Dadurch, daß ich recht weit hinten lag, hatte ich ziemlich ruhiges Wasser.
Die ersten Meter bin ich dennoch Brust geschwommen, um die richtige Richtung zu haben und einen ruhigen Streifen im Feld anzupeilen. Das war gut und sehr erholsam, ich konnte bis zur ersten Wende schwimmen, ohne die Richtung zu korrigieren und mich ernsthaft zu kloppen. Um die Bojen herum war es etwas enger, die neue Richtung stand nicht ganz so sauber, ich bin etwas nach links aus dem Feld gekommen (Gerne würde ich schreiben "Die Geschwindigkeit hat mich aus der Kurve getragen und weit außen auf die Strecke geschleudert"
, aber ich war einfach noch nicht Eins mit der Sache.) - hatte dafür aber weiter sehr ruhiges Wasser. Nach der nächsten Boje konnte ich gut korrigieren, es wurde kurz ein wenig nervöser als die Leute mit den roten Kappen von rechts kamen. Landgang nach 29:50, praktisch voll den Erwartungen entsprechend.
Auf dem Landgang hatte ich die Chance, den Klettverschluß am Kragen zu korrigieren, den ich vorhin in der Eile schief geschlossen hatte und der mir zwischenzeitlich den Hals aufgescheuert hatte - Anfängerfehler
. Ebenso verging die zweite - kleinere Runde -, erfreulicherweise blieb mir mein klassischer 40-Minuten-Wadenkrampf (er kommt im Wettkampf fast immer minutengenau pünktlich!) erspart
, so daß ich recht entspannt mit einer Schwimmzeit von knapp über 50 Minuten aus dem Wasser komme. Da gibt's in Anbetracht des Trainings - immerhin ein Mal Freiwasserschwimmen dieses Jahr, ansonsten kaum eine Einheit mit 2.000 Metern oder gar mehr - wohl nix zu meckern.
Der Wechsel war mit mehr als fünf Minuten ein Debakel.
Das lag zum einen daran, daß ich einige Sportsfreunde traf, und wir hatten uns ja so lange nicht gesehen und so viel zu erzählen
, aber vor allem daran, daß ich auf meine Startnummer getreten bin als ich durch mein Startnummernband steigen wollte
. Mit einem gut hörbaren "Plöpp" verabschiedete sich einer der Befestigungsknöpfe, und der war natürlich auch auf die Schnelle ebensowenig zu finden wie irgendjemand eine Sicherheitsnadel dabei hatte - auch nicht bei den Helfern. Hab' dann die Nummer unter's Trikot gestopft, damit sie wenigstens nicht verloren geht.
Weil ich wußte, daß ich auf dem Rad auf der sehr bergigen Strecke mit meinen insgesamt vielleicht 1.000 Saisonkilometern nix zu verschenken habe, bin ich recht gemütlich losgerollt, Trittfrequenz und Puls immer im Blick, direkt Essen und Trinken
. An den Bergen keine Heldentaten, lieber einen Gang weiter zurückschalten! So spürte ich kurz ein Beben im universellen Gleichgewicht, als mich Pioto - sehr früh und beherzt - überholte. Ein paar freundliche Worte aber die klare Erkenntnis, daß die umfängiche Erörterung triathletischer Seinsfragen auf der Laufstrecke besser aufgehoben ist.
So ließ ich ihn seines Weges ziehen. Kurz drauf traf ich Kampa, und die sah recht beglückt
und gar nicht zuspruchsbedürftig aus, so daß ich hurtig weiter strebte.
Am Sanitätszelt hinter dem Schindelberg hatte das Rote Kreuz auch eine Sicherheitsnadel für meine Startnummer, na, dann ist die Welt ja wieder in Ordnung!
Irgendwann nach dem Stopp sammelte ich Kampa wieder ein, konnte sie aber beruhigen - nein, ich überrunde nicht!
So ist die erste Radrunde mit einem Schnitt von etwa 28,5 km/h (selbst gemessen, ohne Wechselzeit) an und für sich ganz ordentlich durch gelaufen.
Die zweite Runde war ungleich zäher, gleich nach der ersten Steigung mußte ich wegen drohender Krämpfe mal in mein Salztütchen greifen - im Gegensatz zu anderen EMUS trage ich mein Salz bei mir, statt unterwegs darum zu betteln
. Natürlich ist das Betteln unterwegs eine sehr schöne Tradition, aber auf häufig von Bedürftigen frequentierten Strecken - wie zum Beispiel dem Jakobsweg oder den Wettkampfstrecken gängiger Sportveranstaltungen - sollte man stets auch das materielle Heil der Anwohner im Blick haben! Im Kraichgau läßt sich das wieder diskutieren, denn die leben da glaube ich von Solebädern; aber ich schweife ab...
Ab etwa Kilometer 85 wurde ich praktisch nur noch überholt
; es wurde auch schon recht ruhig auf der Strecke. Aber auch das war an und für sich nicht anders zu erwarten: Die Standardtour für's Training waren 110km Radtouristik, Windschattenverband und bestenfalls 1.000 Höhenmeter. Ich hatte zwar auf eine Radzeit um die 3:40 gehofft, bin aber ganz froh, daß ich nicht versucht habe, das zu erzwingen; da wäre ich unterwegs geplatzt. Also: Mit den Wechselproblemen und zwei Stops etwas über 4:12 auf dem Rad. Gut ist anders, aber ankommen ist halt so.
Der Wechsel zum Laufen hat ganz gut geklappt, freundliche Helfer, leider keine Fußreflexzonen-Massage, also weiter. Auf den ersten zwei Kilometern der Laufstrecke hatte ich so 'was von keine Lust mehr, daß ich ernsthaft überlegte, nach der ersten Runde auszusteigen.
Aber dann konnte ich das Tempo um die 5:40 pro Kilometer etwas stabilisieren, dadurch auch den Puls in einen akzeptablen Bereich bringen. Und es ging weiter. Zwar haben Magen und Darm etwas gemuckt
, weil das Iso-Getränk des Veranstalters wohl nicht so mein Ding ist, aber ich konnte das Tempo halten. Und so lange keine echten Schmerzen kommen, sondern nur das unterzuckerte Hirn "Hör' auf mit dem Blödsinn!" sagt, geht's immer weiter.
Highlight auf der Laufstrecke ist natürlich Taunusschneckes Beinkleid
, dessen wir Langdistanz-EMUS leider nur kurz ansichtig werden durften. Und meine Frau hat sie zu spät erkannt - keine Fotos
.
Pioto traf ich - recht praktisch - immer auf den Gegenverkehr-Stücken und das Wetter zeigte, daß sich in diesem EMU-Rennen Naturgewalten aneinander reiben
.
Mit dem auf- und vorbeiziehenden Gewitter kühlte es etwas ab, und das tat sehr gut. Nicht, daß das Tempo nennenswert steigt, aber es entspannte.
Plötzlich war Pioto weg
. Er sollte mir eigentlich in der Fußgängerzone entgegen kommen, aber er kam nicht - unmöglich, ich kann ihn nicht übersehen haben?!?
Kurz bevor ich in den Kurpark einbiege sah ich auf der gegenüberliegenden Seite die zwischenzeitlich bekannte Silhouette einen seiner charakteristischen Silly Walks aufführen,
rufe ihn an, er entgegnet freundlich aber bestimmt, daß er lieber sterben würde, als mich jetzt noch vorbei zu lassen. Aber so lange ich in sehen konnte, kämpfte er gegen die Willkür seiner Beine.
Ich visualisierte kurz das Highlander-Mantra und gab ein wenig Gas. Durch den Kurpark, in die Fußgängerzone. Unmöglich, menschenleer!
Er wird doch nicht wieder angelaufen sein? Ich legte noch mal nach, wart's ab mein Freund, das wär' ja noch schöner!
Bis Kilometer 18. Der Anstieg vor der Verpflegungsstation war einfach zu viel.
Drei Minuten gehen, bis die Cola etwas wirkte. Am nächsten Anstieg nochmal ein paar Schritte gehen. Dann - das Schild zum letzten Kilometer. Hier ging auf einmal wieder Alles, genußvoller Zieleinlauf, geschafft!
Im Ziel als erstes Pioto mit einer Melonenscheibe im Hals.
OK, war wohl nix mit gemeinsamer Meditation auf der Strecke.
Oder doch? Also ich weiß, wenn ich ihn nicht hätte schnappen wollen, wär' die letzte Laufrunde die Hölle geworden. Und ich glaube, er wäre auch nicht mehr in Tritt gekommen, wenn ich nicht von ganz hinten geschoben hätte.
Als solche gesehen ist eine Halbmarathon-Zeit von fast zwei Stunden echt kein Brüller, aber auch hier darf ich aufgrund meines Laufpensums im Training (in guten Wochen etwa 25 Kilometer, meist eher 20) keine Wunder erwarten.
Jetzt kommt ein kurzes Zielbereichs-EMU-Socializing, wobei ich liebevoll mit frischen Getränken umsorgt werde und wir die schönsten Passagen (Storch, Bussard, Weizenfelder) und Vorzüge des Wettkampfs (Shirt, Transponderband, Orga, Streckensperrung, Publikumsbeteiligung) herausarbeiten.
Ungeduscht lassen wir uns noch bei den anderen EMUS sehen, die geduldig warten, bis wir geduscht und ansprechbar sind. Danke!
In Summe hatte ich trotz der relativ schlechten Zeit einen sehr schönen Wettkampf; ich habe gemerkt, daß ich meine körperlichen Möglichkeiten richtig einschätze, die Signale meines Körpers richtig deute und ein klarer Kopf Vieles ausgleichen kann.
Sicher, mit etwas mehr Risiko und mit mehr Quälerei wären vielleicht noch 10 Minuten drin gewesen. Aber für die investierte Trainingszeit habe ich ein sehr gutes Ergebnis erreicht. Und durch die hervorragende Stimmung an der Strecke sowie die klare professionelle Organisation wieder ein sehr schönes Wettkampferlebnis gehabt.