Kraichgau 2008
L-Distanz (2,5 Schwimmen – 111 km Rad – 21,1 km Laufen)
Beinahe wäre es erstmals soweit gekommen, dass ich den Wettkampfbericht schon vor dem Startschuss und zuhause geschrieben hätte, aber dann dachte ich mir, ich kann es nicht zulassen, dass ein Muskel (der unsägliche Piriformis, liegt oberhalb der Arschbacken) meinen ganzen Körper
als Geisel nimmt. Und obwohl ich die gesamte Woche keinen Sport machen konnte bzw. wollte und noch nicht einmal – und zwar trotz kompletten Alkoholverzichts
– gerade stehen konnte, entschloss ich mich am Sonntag Früh um 4.15 Uhr, trotz leichter Rückenschmerzen ins Kraichgau zu fahren. In meinem Hinterkopf hallten auch noch die Worte eines Pfaffenhofener Vereinskollegen, der mir bzgl. Absagen einmal sagte: „...glaubwürdige Entschuldigung hatten...und da gelten nur berufliche Verhinderung oder vorzeitiges Ableben...“ Und da hat er natürlich völlig Recht. Ein weiterer Grund für die Teilnahme war die bezahlte Startgebühr von ca. 90 Euro, und es tut einem gebürtigen Schwaben natürlich in der Seele weh, solche Unsummen an Geld einfach so verfallen zu lassen. Und nicht zuletzt freute ich mich natürlich auf ein Wiedersehen mit den EMUs
Die Anfahrt ins Kraichgau war ziemlich ätzend, trotz mindestens 10-fachen Radiosender-Wechsels gab es keine Chance, der Fußball-EM zu entkommen.
Im Kraichgau angekommen dann das erste Problem: wie komme ich rechtzeitig an die Startunterlagen? Nach 30 Minuten Wartezeit und einer sehr chaotischen Warteschlangen-Organisation seitens des Veranstalters
hatte ich meine Startbeutel und –unterlagen in den Händen. Zurück zum Auto und ab zum Parkplatz am Weiher. Plötzlich zwei kurze Geräusche...zack, zack, das waren die zwei Wechselbeutel, die ich in der Hektik auf dem Autodach vergessen hatte und unter dem Gejohle und Gegrinse der Passanten aufklauben musste. Dann rasch den laufenden Motor nochmals gestartet
und einen Polizisten nach dem Weg zum Parkplatz gefragt: „Da müssen Sie ein Stück geradeaus fahren und dann entweder links oder rechts abbiegen“.
So genau wollte ich es gar nicht wissen...
Vom Weiher am Parkplatz ging es dann zur Wechselzone und Abgabe des Fahrrads. Ich hatte mich bei gestandenen Kraichgau-Veteranen erkundigt, die sagten, ein paar Minuten Verspätung machen gar nix, hier sei man sehr locker. Als ich um 8.37 Uhr und somit 7 Minuten zu spät mein Rad abgeben wollte, schickte mich der zuständige Orga-Typ einfach weg.
Ich musste meinen gesamten schwäbisch-oberbayerischen Charme aufbieten, um den eingebildeten Schnösel doch noch zum Öffnen des Zauns zu erweichen (zumal nach mir mindestens noch 15 weitere Spätstarter mit ihrem Rad antanzten, von denen jeder zu Kreuze kriechen musste).
Am Schwimmstart traf ich dann Qroo, Kampa und Sportfreundin. Der Rest der Truppe befand sich offensichtlich noch in der Visualisierung bzw. mentalen Vorbereitung. Nach dem Besuch von insgesamt 4 Dixi-Klos (Mangelware Klopapier) war dann auch die Morgentoilette erledigt und ich konnte zum Einschwimmen gehen. Das waren wie üblich die 50 m vom Strand bis kurz vor die Startlinie.
Schwimmen lief subjektiv normal, erste 1500m Schleife in genau 30 Minuten, die folgenden 1000m dann in 24 Minuten.
Geht’s vielleicht noch unterirdischer?! Ich hatte große Mühe mit der Orientierung, aber auch sonst hätte ich die angepeilte Zeit von 50 Minuten nicht geschafft, zumal ich mehrfach leichte Krämpfe hatte....die sich dann in der Wechselzone verstärkten; Neo ausziehen echt problematisch. Zum Glück dachte ich daran, fünf Salztabletten (a 250 mg NaCl) einzuschmeißen, dazu später mehr.
Auf dem Rad ging es für meine Verhältnisse recht gut. Nach einer runden halben Stunde nahm ich ersten Kontakt zu FränkieXXL auf. Wir formulierten nochmals verschiedene Wettkampferlebnisse, die nicht zeitlich messbar sind wie zum Beispiel das Einswerden mit der Natur. Diese vorgeheuchelte Freundlichkeit legte ich mit ein paar schnelle Pedalumdrehungen ab, denn ich wusste, dass mir Fränkie auf der Laufstrecke noch auf die Pelle rücken würde, also bitte nicht zuviel Zeit raubendes Gerede
. Erste Runde in ca. 31 km Schnitt, waren 60 km und lt. Veranstalter etwa 1000 HM. Beim Wendepunkt zur 2.Radschleife verfluchte ich erstmals meine Meldung für die L-Distanz
, hatte keinen Bock mehr, mir das nochmals anzutun. Aber da es für ein DNF noch weniger Gründe gibt, als für ein DNS (stimmt’s LC
) hielt ich den Lenker nach links und bog auf Radrunde 2 ein, nochmals 50 km mit rund 1000 HM. Ich vertrieb mir die Zeit damit zu beobachten, wie der Schnitt in 0,1 km/h Schritten langsam auf 29,7 km/h fiel. Aber auch Fauna und Flora kamen nicht zu kurz, so konnte ich einen Bussard bei der Jagd beobachten. Das sind die Momente, die für die zahlreichen harten Trainingskilometer mehr als entschädigen
Da die letzten 10 km eben bzw. abschüssig waren, konnte ich den Schnitt gerade so auf 30,0 km/h hochdrücken, auch wenn in der Ergebnisliste ein Wert von unter 30 km/h stehen dürfte, was dem wie üblich grottigen Wechsel geschuldet ist.
Nach einem Eiertanz durch T2 und einem Wechsel im Sitzen auf einer gemütlichen Bierbank ging es auf die Laufstrecke. Schon nach wenigen Metern wusste ich, dass keine Höchstleistungen zu erwarten waren. Nach 1,5 km hatte ich heftigste Krämpfe im linken Oberschenkel. Das Salz-Problem machte sich wieder bemerkbar. Da am Versorgungsstand des Veranstalters keine salzhaltigen Produkte feilgeboten wurden
, suchte ich das Gespräch mit den Anwohnern. Eine nette Familie saß direkt neben der Laufstrecke und verfolgte neben dem Kaffeeklatsch das Rennen, das gerade in seine entscheidende Phase eintrat. Meine Frage, ob ich ein Glas Wasser und etwas Salz aus einem Salzstreuer haben könnte, wurde zunächst mit allseits ungläubigem Kopfschütteln quittiert. „Wie, Salz?!“ Nach kurzer Erläuterung: „Salz, das weiße körnige Pulver zum Verfeinern von Speisen“ verschwand die Hausfrau in ihrer Küche und kam mit einer 500 Gramm Packung zurück
. Ich genehmigte mir eine kräftige Prise in ein Glas Wasser
und – siehe da – die Krämpfe zogen sich fast sofort und fast komplett zurück
. So konnte ich wenigstens einigermaßen laufen. Was in solchen Situationen auch nicht gerade hilfreich ist: auf der Laufstrecke ein ständiger Wechsel von leicht bergauf und leicht bergab. Nix Steiles, aber gerade wellig genug, dass sich die Muskulatur nicht auf einen Trott eingewöhnen kann. So musste ich meinen flotten Lauf hin und wieder mit ein paar Hoppeleinlagen würzen, die tatsächlich halfen, aufkommende Krämpfe im Keim zu ersticken.
Bei km 3,5 km sah ich dann auch Fränkie wieder und das von ihm angeschlagene Tempo stürzte mich in eine tiefe Krise
. Als ich mich nach 2 km erholt hatte, beschloss ich, vor Fränkie ins Ziel zu kommen. Da passte es sehr gut, dass mich bei km 9 besagte Familie mit einem bereits fertig zusammengestellten Salzdrink erwartete, was ich ihnen hoch anrechne. Kurz darauf sah ich wieder Fränkie und er war schon wieder fast einen Kilometer weiter als er eigentlich hätte sein dürfen
. Ungefähr bei km 10 ging es mir urplötzlich deutlich besser und ich konnte auf einmal wieder deutlich schneller laufen (eine echte Überraschung, bei dem hohen Ausgangsniveau). Es könnte an der Cola gelegen haben, war fast so, also ob ein Schalter umgelegt wurde. Ein aufkommendes Gewitter sorgte für zusätzliche Motivation, sodass ich am Ende fast komplett durchlief und dann nach knapp unter 7 h im Ziel ankam.
Im Zielbereich erwartete uns ein gutgelaunter FF und ein devoter Eisulle, der, nach einigem Anschnauzen ob unqualifizierter Fragen, diverse Getränke herbeischaffte.
Da wir doch etwas aus der Puste waren und nicht sofort zum Duschen gingen, blieb uns leider das Privileg verwehrt, den Kollegen keko kennenzulernen und Kampa wiederzusehen. Echt schade, aber wir Langdistanzler sind ja gewohnt, dass das Büfett schon dezimiert ist, die Fans auf dem Heimweg sind und gelegentlich auch schon einmal die Dämmerung hereinbricht. Ein Dankeschön nochmals an Schnecke und realdedo für die unbürokratische Fahrt zum Weiher, hat mir einigen Stress erspart!
Der Wettkampf war gut organisiert (bis auf die Ausgabe der Anmeldeunterlagen). Man merkt die Liebe zum Detail, worauf mich der zweite der EMU L-Distanz-Wertung freundlicherweise aufmerksam machte: jeder noch so kleine Feldweg war gesperrt, Stoffbeutel statt Plastik, gescheites Klettband für den Zeitchip, richtiges Bier im Zielbereich – kein kastriertes Weißbier
(das habe ich selbst bemerkt), Baumwoll-T-Shirt gediegener Qualität. Die gute Stimmung an der Radstrecke hat mich echt überrascht, man konnte diverse Späßchen machen, die bei den Zuschauern gut ankamen. Anders als in Roth war auch auf der 2.Radrunde noch richtig viel los.
Mankos waren für mich: kein Salz an den Verpflegungspunkten, Anmeldeprozedur, unübersichtliche Schwimmstrecke, Klopapiersituation in den Dixi-Toiletten, zu wenige und zu faule bzw. feige Kampfrichter. Lutscherei war in meinem Bereich kein ernsthaftes Problem, habe aber durchaus einige Pulks gesehen (in meiner ersten Runde).
Fazit: Vernünftig war das wieder mal nicht...na und?!. Meinem Rückenmuskel geht es genauso gut oder schlecht wie vorher, dafür tun jetzt noch jede Menge andere Muskel weh.
@triwolf: ich sehe schon wie du dich selbstzufrieden und siegessicher zurücklehnst und grinst
. Aber fühl dich bloß nicht zu sicher! Auf der L-Distanz habe ich jetzt keine Superzeit rausgehauen
, ok, geschenkt. Das zeigt aber nur, dass mein Training für die Kurzstrecke super angeschlagen hat
Ich kann auf dem Rad über 40 km vollen Anschlag fahren und hinterher noch einen verschärften Lauf dranhängen
Und wenn ich mir deine letztjährige Finisherzeit so ansehe, dann bin ich mir inzwischen nicht mehr sicher, warum ich dich letztes Jahr für die so über den grünen Klee gelobt habe
Du kochst doch auch nur mit Wasser
Triwolf, in zwei Wochen werden die Karten neu gemischt und ich wünsche dir viel Glück für Erding. Du wirst es brauchen